Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers. unterbliebene fristgerechte Zuständigkeitsklärung. Übernahme von Zahnbehandlungskosten als Rehabilitationsleistung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 14 Abs 2 S 1 SGB 9 verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger eine iS von § 14 Abs 1 SGB 9 fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist.

2. Der erstmals befasste Rehabilitationsträger behält seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB 9 im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt, selbst wenn dieser bindend wird (vgl BSG vom 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R = BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R = BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 sowie vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/07 KR R = BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21).

3. Zur Übernahme von Zahnbehandlungskosten als Rehabilitationsleistung bei einem Klarinettisten.

4. Lässt der erstangegangene Leistungsträger die Vorgaben des § 14 SGB 9 unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können (vgl BSG vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R = BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 03.02.2015; Aktenzeichen B 13 R 261/14 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2013 aufgehoben und die gegen die Beklagte gerichtete Klage abgewiesen.

Die Beigeladene wird unter Änderung des Bescheides vom 18. September 2008 und Aufhebung des Bescheides vom 9. Dezember 2009 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Teilhabeleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren jeweils zur Hälfte. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen entweder von der Beklagten oder der Beigeladenen zu erbringenden Zuschuss zu den über den Festbetrag hinausgehenden Kosten der Zahnbehandlung des Klägers als Teilhabeleistung.

Der 1962 geborene Kläger ist seit 1985 als Klarinettist/Bassklarinettist an der D in B tätig. Er ist bei der Beigeladenen krankenversichert.

Seine behandelnden Ärzte empfahlen ihm auf Grund mehrerer gezogener Zähne und einer Veränderung der Zahnstellung zur Vermeidung seiner Berufsunfähigkeit eine umfangreiche Zahnbehandlung, welche in drei Schritten durchgeführt werden sollte: 1. kieferorthopädische Behandlung: Multiband Apparatur und Invisilign-Schienen; 2. kieferchirurgische Behandlung: Implantatversorgung; 3. zahnärztliche Behandlung: Überkronung der Implantate. Nach den von seinen Ärzten erstellten Heil- und Kostenplänen sollten dafür folgende Kosten entstehen: zahnmedizinische Maßnahmen 5.298,34 €, kieferchirurgische Maßnahmen 3.514,92 €, kieferorthopädische Maßnahmen 4.423,19 €. Die Behandlung wurde bislang nicht durchgeführt.

Der Kläger wandte sich zwecks Kostenerstattung zunächst an die Beigeladene und übersandte jedenfalls den Heil- und Kostenplan seiner Zahnärztin vom 11. Juli 2008, auf welchem die Beigeladene in dem Feld “Zuschussfestsetzung„ den Gesamtbetrag iHv 887,45 € eintrug und im Feld “Die Krankenkasse übernimmt folgende Festzuschüsse„ einen Stempel, eine Unterschrift sowie das Datum 18. September 2008 aufbrachte.

Am 4. Oktober 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage der drei Heil- und Kostenpläne die Kostenübernahme der beabsichtigten zahnmedizinischen Maßnahmen und machte unter Vorlage eines Schreibens seines Kieferorthopäden, in welchem dieser die Notwendigkeit der geplanten kieferorthopädischen Maßnahmen bestätigte, geltend, alle drei Behandlungsschritte bauten aufeinander auf und seien zur Erhaltung seiner Berufsfähigkeit notwendig.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 stellte der Kläger spätestens Anfang Dezember 2009 - das Datum des Eingangs des Schreibens vom 28. Juli 2008 bei der Beigeladenen ist zwischen dieser und dem Kläger streitig - bei der Beigeladenen unter Vorlage der drei Heil- u...

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