Entscheidungsstichwort (Thema)

BK 2108. Konsensempfehlungen. Fallgruppe B2/B3. besonders intensive Belastung. hohe Belastungsspitzen. Unterlassungszwang. Beweisantrag zu arbeitstechnischen Voraussetzungen. Tatbestandsmerkmale einer Listen-BK

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Von einer besonders intensiven Belastung im Sinn der Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen kann nur bei Erreichen des Lebensrichtwerts der Gesamtbelastungsdosis in weniger als zehn Jahren beruflicher Belastung ausgegangen werden (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen zu B 2). Hierbei kann nicht von dem nach der Rechtsprechung des BSG modifizierten Lebensrichtwert von 12,5 MNh ausgegangen werden, weil Grundlage des Konsenses nicht das modifizierte MDD mit einem Lebensrichtwert von 25 MNh gewesen ist.

2. Ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen kann nur bei Erreichen mindestens der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwerts durch diese Belastungsspitzen – bei Männern ab 6.000 N – angenommen werden.

3. Auf das Zusatzkriterium einer Begleitspondylose bei der Fallkonstellation B3 kann nicht verzichtet werden. Denn diese Konstellation entspricht der häufigsten Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen innerer Ursache an der LWS.

4. Eine Unterlassung aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, ist nicht anzunehmen, wenn der Versicherte noch Hebe- und Tragebelastungen hatte, die nach dem modifizierten MDD als Lendenwirbelsäulenbelastungen zu würdigen sind (hier: 15 kg).

5. Ein Antrag, zur Feststellung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen ein Sachverständigengutachten einzuholen, ist kein zulässiger Beweisantrag i.S.v. § 403 ZiPO i.V.m.. § 118 Abs. 1 SGG, weil es sich bei den “arbeitstechnischen Voraussetzungen” nicht um klar umrissene Tatsachen handelt.

 

Orientierungssatz

1. Tatbestandsmerkmale einer Listen-BK:  Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (Anschluss: BSG, 2006-06-27, B 2 U 20/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr 7, 2006-05-09, B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr 17).

2. Voraussetzungen für die Anerkennung einer  Bandscheibenerkrankung als Berufskrankheit.

3. Da Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen.

4. Es ist daher davon auszugehen, dass die medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff), nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen durch körperliche berufliche Belastungen darstellen.

 

Normenkette

Anl 1 BKV Nr. 2108; SGB VII § 9 Abs. 4; SGG § 118 Abs. 1; ZPO § 403

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des

Sozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2005 wird

zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können -.

Der 1960 geborene Kläger absolvierte vom 01. September 1976 bis zum 13. Juli 1978 eine Lehre zum Maurer. Anschließend war er bis zum 23. April 1980 und vom 16. Mai 1983 bis zum 14. September 1990 (unterbrochen durch den Wehrdienst...

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