Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung eines in der DDR gezahlten Verpflegungsgeldes als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt

 

Orientierungssatz

1. Welche Arbeitsverdienste den Zugehörigkeitszeiten zu einem Versorgungssystem der DDR zuzuordnen sind, ist in § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG geregelt. Danach ist den Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem für jedes Kalenderjahr als Verdienst gemäß § 256 a Abs. 2 SGB 6 das erzielte Arbeitsentgelt höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen. Maßgeblich ist allein das in der DDR tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt. Es kommt nicht darauf an, ob dieses in der DDR einer Beitrags- oder Steuerpflicht unterlag (Anschluss BSG, Urteil vom 23. August 2007, B 4 RS 4/06 R).

2. Die Berücksichtigung von Einnahmen aus einem Arbeitsrechtsverhältnis als Verdienst nach § 256 a Abs. 2 S. 1 SGB 6 setzt voraus, dass nach dem Recht der DDR entweder Pflichtbeiträge oder Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind.

3. Der Begriff des Arbeitsentgelts i. S. des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG bestimmt sich ausschließlich nach § 14 SGB 4; nicht anzuknüpfen ist dabei an das Recht der DDR.

4. In der DDR gezahltes Verpflegungsgeld wird von § 14 Abs. 1 S. 1 SGB 4 erfasst; es handelt sich dabei um Einnahmen aus einer Beschäftigung. Der Arbeitsentgelteigenschaft steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer keinen einzelarbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Anspruch auf diese Einnahme hat, sondern diese Einnahme möglicherweise aus einer betrieblichen Übung resultiert und deren Zahlung jederzeit für die Zukunft zurückgenommen werden kann.

5. Gezahltes Verpflegungsgeld ist als anderer Bezug i. S. des § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit hinzu zu rechnen und somit steuerpflichtig. Dies hat zur Folge, dass es als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen ist.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 3. März 2011 geändert.

Der Beklagte wird unter entsprechender teilweiser Aufhebung des Bescheides des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg - Versorgungsstelle - vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2010 verurteilt, das dem Kläger in der Zeit vom 1. Mai 1960 bis 30. September 1973 gewährte Verpflegungsgeld zusätzlich als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen und insoweit die Bescheide vom 26. März 1997 und 5. Juni 1997 teilweise zurückzunehmen.

Der Beklagte und der Beigeladene haben dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits jeweils zur Hälfte zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt (noch) die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte als Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) unter Berücksichtigung des ihm im Zeitraum vom 1. Mai 1960 bis 30. September 1973 gezahlten Verpflegungsgeldes.

Der 1931 geborene Kläger stand in dem Zeitraum vom 6. Oktober 1952 bis 30. September 1990 im Dienst der Deutschen Volkspolizei (DVP) In den Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Sonderversorgungssystem der DVP vom 7. Oktober 1955 bis 31. Dezember 1956 und vom 1. Januar 1958 bis 30. September 1973 verrichtete er seinen Polizeidienst in Sachsen D, L. In der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1957 absolvierte er im Rahmen des Dienstverhältnisses einen Lehrgang in Sachsen-Anhalt (A). In dem Zeitraum ab Mai 1960 bis September 1973 bezog der Kläger neben seinen Dienstbezügen u. a. auch Verpflegungsgeld.

In der Zeit ab 1. Oktober 1973 bis zum 30. September 1990 verrichtete der Kläger seinen Polizeidienst im Land Brandenburg.

Mit Schreiben des Polizeipräsidiums L vom 6. November 1996 übermittelte der Beigeladene dem Beklagten (Polizeipräsidium P) u. a. eine Entgeltbescheinigung nach § 8 Abs. 2 AAÜG über die von dem Kläger während seiner Dienstzeit in Sachsen erzielten Arbeitsentgelte. Hierauf stellte der Beklagte mit Bescheid des Polizeipräsidiums P vom 26. März 1997 die von dem Kläger in der Zeit vom 7. Oktober 1955 bis 30. September 1990 erzielten Arbeitsentgelte nach dem bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Recht fest. Neu berücksichtigte der Beklagte dabei das von dem Kläger während der Zeit seiner Polizeidiensttätigkeit in Sachsen-Anhalt vom 1. Januar bis 31. Dezember 1957 erzielte Arbeitsentgelt. Mit Bescheid des Polizeipräsidiums P vom 5. Juni 1997 stellte der Beklagte die von dem Kläger zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte nach dem ab 1. Januar 1997 geltenden Recht neu fest. Danach entfielen Entgeltbegrenzungen mit Wirkung ab 1. Januar 1997 u. a. auch für die hier streitgegenständlichen Zeiten vom 1. Januar 1958 bis 31. Dezember 1958 und 1. Januar 1960 bis 31. Dezember 1963.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 26. März und 5. Juni 1997 und führte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - aus, dass der Beklagte bei der Berechnung der Arbe...

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