Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinreichende Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Überprüfung einer Ermessensentscheidung

 

Orientierungssatz

1. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG regelt abschließend die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen eine Ablehnung von PKH. Nach der klaren gesetzlichen Vorgabe kommt es dabei ausschließlich auf den Gesichtspunkt der Bedürftigkeit und nicht darauf an, ob in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre.

2. Die zur Bewilligung von PKH erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht liegt dann vor, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass der Erfolg der Rechtsverfolgung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Bei nur teilweise anzunehmender Erfolgsaussicht ist in gerichtskostenfreien Verfahren PKH unbeschränkt zu gewähren. Ein Rechtsschutzbegehren hat auch dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt.

3. Eine Behörde darf die Aufrechnung einsetzen, ist dazu aber nicht verpflichtet. Bei Abgabe einer Ermessenserklärung hat die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen pflichtgemäß zu betätigen. Ermessensfehler, insbesondere Ermessensausfall führen zur Unwirksamkeit der Aufrechnungserklärung.

4. Ergibt sich aus den Verwaltungsvorgängen kein Anhaltspunkt dafür, dass die Behörde die Pflicht zur Ermessensbetätigung erkannt, geschweige denn ausgeübt hat und ist für eine Ermessensreduktion auf Null nichts ersichtlich, so ist die ergangene Entscheidung aufzuheben.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Juni 2013 geändert.

Der Antragstellerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht für die Zeit ab dem 19. Juni 2012 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung oder Beiträge aus dem Vermögen bewilligt und Rechtsanwalt Dr. J-T L beigeordnet.

Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, in welchem sich die Antragstellerin gegen die mit Schreiben vom 28. Dezember 2011 erklärten Aufrechnung der mit Bescheid vom 28. Dezember 2011 bewilligten Kostenforderung von 77,35 EUR gegen eine Forderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. November 2011 wendet. Sie ist der Auffassung, dass die Aufrechnung einen Verwaltungsakt darstelle und wegen der gewährten Beratungshilfe der Kostenerstattungsanspruch cessio legis (§ 9 BerHG) auf den Anwalt der Antragstellerin übergegangen sei und daher keine Gegenseitigkeit der Forderungen vorliege. Die Beklagte meint, die Aufrechnung sei kein Verwaltungsakt sondern schlicht-hoheitliches Handeln gewesen, so dass Widerspruch und Anfechtungsklage unzulässig seien. Sie beruft sich auf das Urteil des SG Gießen vom 14.09.2010, S 26 AS 823/10.

Das Sozialgericht Cottbus hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 14. Juni 2013 abgelehnt und dies damit begründet, dass die Aufrechnung gegen einen Anspruch auf Erstattung der Kosten im Vorverfahren durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung erfolgen könne, so dass die Entscheidung der Beklagten, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen nicht zu beanstanden sei.

Die Antragstellerin verfolgt ihr Begehren mit ihrer Beschwerde vom 12. Juli 2013 weiter. Neben dem Anspruchsübergang nach § 9 BerHG liege hier eine Abtretung der Forderung an den Anwalt der Klägerin vor.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.

Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.

§ 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG regelt abschließend die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen eine Ablehnung von Prozesskostenhilfe. Die insoweit weitergehende Vorschrift des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO findet, auch wenn nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Prozesskostenhilfe entsprechend gelten, keine Anwendung. Dies erscheint im Hinblick darauf, dass § 172 SGG die Rechtsbehelfe gegen Beschlüsse für das sozialgerichtliche Verfahren erkennbar abschließend regelt, einen Verweis auf ZPO-Vorschriften, insbesondere zur Prozesskostenhilfe nicht enthält, dagegen aber eine eigene die Prozesskostenhilfe regelnde Bestimmung vorsieht, nicht zulässig. Dabei lässt sich der Senat insbesondere von der Rechtsprechung des BVerfG leiten, die gerade für Rechtsbehelfe Klarheit durch das geschriebene Gesetz verlangt (BVerfG - Plenum, Beschluss vom 30.04.2003, 1 PBvU 1/02). Für den Ausschluss der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im Klageverfahren kommt es nach der insoweit klaren Vorgabe des § 172 SGG ausschließlich auf den Gesichtspunkt der Bedürftigkeit und nicht darauf, ob in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre, an (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, § 172 RdNr 6i mwN). Dies folgt insbesondere auch aus der Gesetzeshistorie (vgl. dazu im Einzelnen den Beschluss des erkennenden Senats...

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