Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Unzulässigkeit. Institut der materiellen Rechtskraft. Beschränkung des Streitgegenstandes. Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Aufhebung eines Verwaltungsakts. wiederholende Verfügung. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Streitiges Rechtsverhältnis

 

Orientierungssatz

1. Ein Antrag gem § 86b Abs 2 SGG ist unzulässig, wenn die Voraussetzungen für einen Erlass einer einstweiligen Anordnung aus prozessualen Gründen nicht erfüllt sind. Dies ist der Fall, wenn es wie hier an einem streitigen Rechtsverhältnis fehlt.

2. Im Anordnungsverfahren nach § 86b Abs 2 SGG ist durch das Institut der materiellen Rechtskraft einem fortgesetzten Streit unter den Beteiligten über denselben Streitgegenstand entgegenzuwirken, die Belastung der Gerichte zu vermeiden sowie die Gefahr widersprechender Entscheidungen zu begegnen (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 5.11.2008 - L 34 B 1982/08 AS ER = ZFSH/SGB 2008, 728).

3. Die Bestandskraft eines Bescheides kann auch allein für die Regelung hinsichtlich der Unterkunftskosten angenommen werden, da das BSG die Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Kosten der Unterkunft als abtrennbare Verfügung eines Bescheides für zulässig erachtet (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 und vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R = BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30).

4. Ein Bescheid mit dem ausdrücklich - auch aus dem Empfängerhorizont - eine Regelung auch über die Berücksichtigung von Unterkunftskosten für einen bestimmten Zeitraum in angemessener Höhe getroffen wird, stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, der nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB 10 aufgehoben werden kann.

5. Änderungsbescheide, die wegen veränderten Einkommens oder der Anerkennung eines weiteren zusätzlichen Mehrbedarfs ergehen, treffen keine neue Entscheidung über die Unterkunftskosten. Der Sozialhilfeträger hat mit keiner dieser Regelungen die Dauerregelung hinsichtlich der Ablehnung der Übernahme höherer Unterkunftskosten geändert oder gar wiederholt (vgl BVerwG vom 10.10.1961 - VI C 123.59 = BVerwGE 13, 99).

 

Tenor

Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. Dezember 2009 werden zurückgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die geschiedene Antragstellerin bewohnt eine Dreizimmerwohnung mit 76,24 m² zur Miete, für die sie derzeit inklusive Heizung und Nebenkosten 849,02 Euro monatlich zahlt. Bereits Ende 2007 wurde sie durch das Jobcenter zur Senkung der Kosten der Unterkunft aufgefordert. Wohl ab 01.Mai 2008 hat das Jobcenter nur noch Kosten für einen Einpersonenhaushalt in Höhe von 360 Euro für die Unterkunft übernommen.

Mit Rentenbescheid vom 22. Juli 2008 wurde der Antragstellerin Altersrente ab 01. August 2008 in Höhe von 661,42 Euro monatlich gewährt.

Mit Bescheid vom 20. August 2008 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01. Juli 2009 bis 30. Juni 2010. Dabei berücksichtigte sie ab September 2009 als Bedarf den Regelbedarf in Höhe von 359 Euro, Kranken- und Pflegeversicherungskosten in Höhe von 143 Euro sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von 378 Euro, insgesamt einen Bedarf in Höhe von 880 Euro. Der Bescheid wurde seitens der Antragstellerin nicht mit Widerspruch angegriffen.

Nachdem der Klägerin höhere Rentenleistungen gewährt wurden, hat der Antragsgegner die Grundsicherungsleistungen neu festgesetzt. Ab 01. November 2009 wurden der Antragstellerin Grundsicherungsleistungen in Höhe von 92,77 Euro gewährt. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass die Aufhebung und Neufestsetzung der Leistung wegen Änderung der Rente erfolge. Der Bescheid vom 20. August 2009 über die Bewilligung von Grundsicherung werde gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) insoweit aufgehoben. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 14. Oktober 2009 Widerspruch und machte geltend, ihr ständen Kosten der Unterkunft in Höhe von 619,02 Euro monatlich zu.

Mit weiterem Bescheid vom 24. November 2009 setzte der Antragsgegner die Grundsicherungsleistungen ab November 2009 auf 128,76 Euro fest und änderte insofern den Bescheid vom 15. September 2009 gemäß § 48 SGB X. Die Aufhebung und die Neufestsetzung der Leistung erfolge wegen der Bewilligung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes.

Mit dem am 02. Dezember 2009 bei dem Sozialgericht Berlin gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der damit begründet worden ist, dass es der Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei, die Kosten der Unterkunft zu senken und mit dem lediglich die Nettokaltmiete in Höhe von 619,02 Euro als Kosten der Unterkunft geltend gemacht worden ist, hat das Sozialgericht durch Beschluss vom 29. Dezember 2009 zurückgewiesen und gleich...

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