Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Berufung. Verwerfung durch Beschluss. erstinstanzliche Entscheidung: Gerichtsbescheid. Ermessen. Mündlichkeitsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz, dass zur Wahrung des Rechts auf eine mündliche Verhandlung eine Berufungsentscheidung nicht durch Beschluss ergehen darf, wenn erstinstanzlich durch Gerichtsbescheid entschieden wurde (vgl § 158 S 2 SGG und BSG vom 9.12.2008 - B 8 SO 13/08 B), gilt nicht, wenn der Kläger gemäß § 105 Abs 2 S 2 SGG die Möglichkeit hatte, auf den Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung zu beantragen.

 

Tenor

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18. März 2010 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner am 27. April 2010 eingelegten Berufung (Schreiben vom 26. April 2010) gegen den ihm am 27. März 2010 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Cottbus vom 18. März 2010. Mit diesem ist die Klage abgewiesen worden, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 09. Oktober 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2009 zu verurteilen, die Kosten für die Klassenfahrt seiner Tochter J K zu übernehmen, die vom 30. September bis 02. Oktober 2008 stattgefunden und 100,00 EUR gekostet hat. Der Gerichtsbescheid enthält die Belehrung, dass er nur dann mit der Berufung angefochten werden könne, wenn sie nachträglich zugelassen werde. Zu diesem Zweck könne die Nichtzulassung der Berufung mit der Beschwerde angefochten werden, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg einzulegen sei. Anstelle einer Nichtzulassungsbeschwerde könne innerhalb der genannten Frist beim SG mündliche Verhandlung beantragt werden.

Mit Schreiben vom 10. Mai 2010, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Berichterstatter des Senats den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sei, da der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes (mehr als 750,00 EUR) nicht erreicht und sie vom SG nicht zugelassen worden sei.Es hätte für ihn unter den gegebenen Umständen nur die Möglichkeit bestanden, statt einer Berufung eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ einzulegen, worauf er durch die Rechtsmittelbelehrung am Ende des Gerichtsbescheides auch hingewiesen worden sei. Diese Möglichkeit bestehe nun nicht mehr, da die Monatsfrist für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde verstrichen sei. Die Umdeutung einer unzulässigen Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde sei nicht möglich (mit Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 20. Mai 2003 - B 1 KR 25/01 R - SozR 4-1500 § 158 Nr 1, wonach dies ausdrücklich auch für den Fall gelte, dass, wie hier, der Rechtsmittelführer nicht rechtskundig vertreten sei). Im Übrigen dürften ohnehin Gründe für eine ausnahmsweise Zulassung der Berufung nicht vorgelegen haben. Der Senat rege daher an, die Berufung zurückzunehmen.

Hierauf hat der Kläger mit Schreiben vom 08. Juni 2010 ua zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung über einen von ihm bei der Beklagten gestellten Überprüfungsantrag bezüglich von Leistungen dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgewartet werden sollte, der den Zeitraum einschließe, in dem die Klassenfahrt stattgefunden habe (Bl 36 der Gerichtsakte ≪GA≫).

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18. März 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 09. Oktober 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen für die in der Zeit vom 30. September bis zum 02. Oktober 2008 erfolgte Klassenfahrt seiner Tochter J K in Höhe 100,00 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der GA, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie der Leistungsakten der Beklagten (vier Bände), die vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unzulässig, weil der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht und eine Zulassung durch das SG nicht erfolgt ist; mithin ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG), ohne dass es darauf ankommt, ob dem Kläger der erhobene Anspruch materiell-rechtlich zusteht.

Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Satz 2 SGG bedarf die Berufung nur dann keiner besonderen Zulassungsentscheidung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR übersteigt oder wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Der Kläger ist durch das von ihm angefochtene Urteil des SG nicht in dem von § 144 Abs 1 SGG vorausgesetzten Maße beschwert, da seine Kla...

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