Entscheidungsstichwort (Thema)

Hausarztzentrierte Versorgung. Bestimmung einer Schiedsperson zur Sicherstellung. vorbeugender einstweiliger Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Maßgeblich für die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der Bestimmung einer Schiedsperson nach § 73b SGB 5 sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung.

2. Verliert eine Gemeinschaft von Vertragsärzten nach § 73b Abs 4 S 1 SGB 5 nach der Bestimmung einer Schiedsperson ihre Vertragsabschlusskompetenz, kann eine Krankenkasse mit entsprechend substantiiertem Vortrag die Einstellung des Schiedsverfahrens bei der Aufsichtsbehörde oder dem Schiedsmann selbst verlangen oder einen Schiedsspruch erfolgreich mit einer entsprechenden Begründung anfechten.

3. Von einer bundesweiten Bestellung einer Schiedsperson für eine Krankenkasse darf die Aufsichtsbehörde absehen, weil der Gesetzgeber den KV-Bezirk und nicht den Wirkungsbereich der Krankenkassen zum Bezugspunkt für die Verträge der hausarztzentrierten Versorgung gemacht hat.

4. Anträge auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes setzen wegen des auch für das SGG geltenden Prinzips, dass grundsätzlich nachgehender Rechtsschutz zu gewähren ist, im Sinne eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses voraus, dass nachgehender Rechtsschutz zur Wahrung der Rechte eines Antragstellers ungeeignet wäre, weil er auf Grund der besonderen Umstände des konkreten Falles zu spät käme.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2010 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat es rechtsfehlerfrei abgelehnt, die mit dem Hauptantrag begehrte aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juni 2010 anzuordnen, mit dem die Antragsgegnerin Herrn Dr. A. N. als Schiedsperson in den Verhandlungen zwischen dem Beigeladenen und der Antragstellerin für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV) bestimmt hatte; ebenso hat es zu Recht das mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Begehren abgelehnt anzuordnen, dass die durch die Schiedsperson festgesetzten Vertragsinhalte nicht vor rechtskräftiger Entscheidung über die Klage in Kraft treten können.

1.) Die aufschiebende Wirkung der Klage hätte im vorliegenden Fall, in dem die Bestimmung der Schiedsperson kraft Gesetzes gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 73b Abs. 4a Satz 4 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB IV) sofort vollziehbar ist, gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG nur dann angeordnet werden dürfen, wenn das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der schnellen Durchführung des Schiedsverfahrens überwogen hätte. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn sich die Bestimmung der Schiedsperson als rechtswidrig erwiesen hätte. Das ist jedoch nicht der Fall; vielmehr spricht alles dafür, dass die mit der Klage angefochtene Bestimmung des Dr. A. N. als Schiedsperson rechtmäßig war.

a) Nach § 73b Abs. 1 SGB V haben die Krankenkassen ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten. Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen (§73b Abs. 4 Satz 1 SGB V). Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt (§ 73b Abs. 4a Sätze 1 und 2 SGB V).

b) Die danach erforderlichen Voraussetzungen zur Bestellung einer Schiedsperson durch die Antragsgegnerin, die die für die Antragstellerin gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) zuständige Aufsichtbehörde ist, sind erfüllt: Ein Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen ist bis zu der im Gesetz bestimmten Frist nicht zustande gekommen, der Beigeladene hat mit Schreiben vom 22. Juni 2009 und vom 29. Juni 2009 die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragt und die Parteien haben sich auf eine unabhängige Schiedsperson nicht verständigen können.

Die Antragsg...

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