Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengeldes 2

 

Orientierungssatz

1. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen einen ergangenen Bescheid kann durch einstweiligen Rechtsschutz angeordnet werden, wenn bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen und dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann.

2. Die in § 31 SGB 2 vorgesehenen wiederholbaren Sanktionen sollen erzieherisch auf den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einwirken. Deshalb ist die gleichzeitige Übermittlung mehrerer Arbeitsangebote für eine bestimmte berufliche Tätigkeit als Einheit zu betrachten und kann nur eine Pflichtverletzung auslösen, wenn die Ablehnung der Angebote aus den gleichen Gründen erfolgt.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2006 aufgehoben.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 13. Februar 2006 gegen den Bescheid vom 05. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2006 (W 467/06) sowie die Aufhebung der Vollziehung des zuvor genannten Bescheides werden angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller entstandenen Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Absenkung der nach § 20 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) maßgebenden Regelleistung um 30 v. H. für die Zeit von November 2005 bis Januar 2006 gem. § 31 Abs. 1 und 6 SGB II.

Der 1973 geborene Antragsteller (Ast), der seit Januar 2005 von der Antragsgegnerin (Ageg) Arbeitslosengeld II bezieht, lebt mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen im Jahr 2004 geborenen Sohn in einer Wohnung. Die Ageg veranlasste zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Ast eine ärztlichen Begutachtung durch den Allgemeinmediziner Dr. T, der nach Untersuchung des Ast in seinem Gutachten vom 23. Mai 2005 diesen als vollschichtig leistungsfähig für ständig leichte und überwiegend mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung (zeitweise stehend, gehend und sitzend) unter Beachtung weiterer Einschränkungen beurteilte. Am 24. Mai 2005 unterbreitete die Ageg dem Ast vier Arbeitsangebote als Call-Center-Agent bei den Firmen B W, RC M(), E M - B und M C M B. Jedes dieser Arbeitsangebote wurden vom Ast mit der Begründung abgelehnt, er sei laut ärztlicher Bescheinigung für eine Tätigkeit, die mit dauerndem Sitzen verbunden sei, gesundheitlich nicht geeignet; außerdem habe er die Arbeitsstelle auch aus familiären Gründen - Erkrankung der Lebensgefährtin bzw. Betreuungsbedürftigkeit des gemeinsamen Kindes - nicht antreten können. Nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Arztes der Agentur für Arbeit Berlin Süd, Herrn L-K vom 2. August 2005, die nach Aktenlage erfolgte, (Einsetzbarkeit für Büro- als auch Call-Center-Tätigkeiten sei gegeben) und Begutachtung der Lebensgefährtin (Gutachten nach Untersuchung durch Herrn Dr. H vom 17. Juli 2005: vollschichtige Einsatzfähigkeit für mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten für Tätigkeiten ohne Zeitdruck und Verantwortung) erließ die Ageg in der Folge mehrere Absenkungsbescheide nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 c und Abs. 6 SGB II. Zunächst wurde die Regelleistung mit Bescheid vom 11. August 2005 für die Zeit von September bis November 2005 um 30 v. H. mit der Begründung gekürzt, der Ast habe die ihm angebotene Tätigkeit als Call-Center-Agent bei der Firma B W nicht angetreten. Sodann wurde in dem hier streitbefangenen Bescheid vom 5. Oktober 2005 die Regelleistung um weitere 30 v. H. für die Zeit von November 2005 bis Januar 2006 mit der Begründung gekürzt, der Ast habe die angebotene Tätigkeit als Call-Center-Agent bei Firma M C B nicht angetreten. Mit weiteren Bescheid vom 21. November 2005 wurde dann die Regelleistung nochmals um 30 v. H. für die Zeit vom Dezember 2005 bis Februar 2006 mit der Begründung gekürzt, der Ast habe die ihm angebotene Tätigkeit als Call-Center-Agent bei der Firma nicht angetreten. Ob auch bzgl. der Ablehnung der Tätigkeit als Call-Center-Agent bei der Firma E M - B letztlich ein Absenkungsbescheid (Bescheid vom 10. August 2005 ?) nach § 31 SGB II ergangen ist, kann den insoweit unvollständigen Verwaltungsakten nicht entnommen werden (Anhörung hierzu auf Blatt 170/171 VA). Die jeweils gegen die Absenkungsbescheide erhobenen Widersprüche wies die Ageg zurück.

Mit seinem am 13. Februar 2006 beim Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen Schriftsatz vom 8. Februar 2006 hat der Ast Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 05. Oktober 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2006 begehrt sowie beantragt, im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Absenkungsbescheid wiederherzustellen und unverzüglich die “Leistungskürzungen zurückzunehmen„. Er habe die Tätigkeiten im Call-Center aus wichtigem Grund abgelehnt, da er wegen seiner Wirbelsäulenbeschwerden ke...

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