Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld bei Erkrankung des Kindes. Ruhen des Krankengeldanspruchs während der Elternzeit. Ausnahme vom Ruhenstatbestand nur bei zuvor nahtlosem Krankengeldbezug wegen Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 49 Abs 1 Nr 2 Halbs 1 SGB 5 ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange Versicherte Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (juris: BEEG) in Anspruch nehmen.

2. Nach § 49 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 Alt 1 SGB 5 greift dieser Ruhenstatbestand nur dann nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Elternzeit eingetreten ist; diese Ausnahme vom Ruhenstatbestand ist nicht erweiternd auf Fälle anzuwenden, in denen vor Beginn der Elternzeit Krankengeld wegen Erkrankung des Kindes nach § 45 Abs 4 SGB 5 bezogen wurde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.02.2016; Aktenzeichen B 3 KR 10/15 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 5. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Krankengeld bei Erkrankung des Kindes für die Zeiträume 4. Juli 2011 bis 1. August 2011 und 2. August 2011 bis 30. August 2011.

Die im Jahre 1977 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Ihr z 2001 geborener Sohn J litt unter der Erkrankung Adrenoleukodystrophie (ALD). Dabei handelt es sich um eine seltene, genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, die im Kindesalter auftritt und einen schnellen neurologischen Verfall mit sich bringt. Im Endstadium zeigt sich ausgeprägte Demenz, die schließlich zum Verlust der lebenswichtigen Körperfunktionen und damit zum Tode führt. J verstarb infolge dieser Erkrankung im August 2012.

Zu Beginn des Jahres 2011 bezog die Klägerin vom 1. Januar 2011 bis zum 27. März 2011 Krankengeld aufgrund der Erkrankung ihres Kindes J in Höhe von 18,93 Euro kalendertäglich. Das zweite Kind der Klägerin, Ja, wurde am 3. Mai 2011 geboren. In der Zeit vom 28. März 2011 bis zum 4. Juli 2011 erhielt die Klägerin von der Beklagten Mutterschaftsgeld und vom Arbeitgeber Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Vom Tag der Geburt an befand die Klägerin sich in Elternzeit und bezog vom 5. Juli 2011 bis zum 2. Mai 2012 Elterngeld.

Am 4. Juli 2011 bescheinigte der Diplom-Mediziner L, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, der Klägerin für den Zeitraum 4. Juli 2011 bis 1. August 2011 Arbeitsunfähigkeit wegen der Erkrankung des erstgeborenen J, der der Betreuung und Beaufsichtigung im genannten Zeitraum bedürfe. Mit Bescheid vom 12. Juli 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes ab. Das seit dem 5. Juli 2011 bezogene Elterngeld sei vorrangig, so dass Krankengeld nicht beansprucht werden könne.

Eine weitere ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung des Kindes erhielt die Klägerin am 3. August 2011 von dem Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. G für den Zeitraum 2. August 2011 bis 30. August 2011. Auch den hierauf gestellten Antrag auf Zahlung von Krankengeld lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 11. August 2011). Ein Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes nach § 45 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehe nur dann, wenn der Elternteil zur Pflege und Beaufsichtigung des erkrankten Kindes der Arbeit fernbleiben müsse und daher ein Verdienstausfall entstehe. Dies sei im Falle des Bezuges von Elterngeld nicht gegeben.

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Widersprüche brachte die Klägerin u. a. vor, Elterngeld nur in Höhe von 300,00 Euro monatlich zu erhalten und auf die Weiterbewilligung von Krankengeld angewiesen zu sein.

Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) vom 16. Dezember 2010 (Dr. A J) bei, wonach J unter einer Erkrankung im Sinne von § 45 Abs. 4 SGB V leide, die fortschreitend und sich unaufhaltsam verschlimmernd verlaufe, bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht habe und bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativ-medizinische Behandlung notwendig sei oder von einem Elternteil gewünscht werde; ob lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten zu erwarten sei (§ 45 Abs. 4 Satz 1 Buchstabe c SGB V), ließ Dr. J unbeantwortet.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2011 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass neben dem Bezug von Elterngeld eine Leistung von Krankengeld nicht in Betracht komme. Die Ausnahme vom Ruhenstatbestand nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sei nicht gegeben, denn auf dieser Grundlage könne Krankengeld während der Elternzeit nur dann gewährt werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit schon vor Beginn der Elternzeit eingetreten sei; im vorliegenden Falle gehe es aber nicht um Arbeitsunfähigkeit, sondern um die Bewilligung von Krankengeld wegen der Erkrankung des Kindes.

Die hiergegen e...

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