Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH über keine Sperrminorität, ist er der Gesellschafterversammlung gegenüber weisungsgebunden und bezieht er eine fest vereinbarte monatliche Vergütung, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist noch, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Klägerin im Zeitraum 4. Februar 2014 bis 28. September 2015 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Im streitigen Zeitraum war der Beigeladene zu 1. alleiniger Geschäftsführer der Klägerin und hielt ein Drittel der Geschäftsanteile, zeitweise mittelbar über die O T Beteiligungsgesellschaft UG, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er war. Zu je einem weiteren Drittel hielten der Bruder des Klägers, U T, und Herr O A die Geschäftsanteile der Klägerin.

Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 18. Oktober 2012 sieht für Gesellschafterbeschlüsse eine qualifizierte Mehrheit von 65 Prozent der abgegebenen Stimmen vor.

Der mit dem Beigeladenen zu 1. abgeschlossene "Vertrag für den Geschäftsführer", wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 23 bis 25 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen wird, befreite den Beigeladenen zu 1. von den Beschränkungen des § 181 BGB und räumte ihm ein, frei zu sein in der Einteilung seiner Arbeitszeit sowie in der Festlegung von Ort und Umfang seiner Tätigkeit. Vereinbart war eine monatliche Vergütung von 5.200 Euro.

Am 10. September 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1.; abhängige Beschäftigung liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2015, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2015, stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Klägerin seit dem 4. Februar 2014 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Aufgrund des Kapitaleinsatzes von nur 33,3 Prozent und des daraus entstehenden Stimmrechtsanteils sei es dem Beigeladenen zu 1. nicht möglich, die Geschicke der Firma maßgeblich zu beeinflussen.

Hiergegen richtet sich die am 8. Juli 2015 erhobene Klage. Maßgeblich sei, dass der Beigeladene zu 1. weisungsfrei tätig gewesen sei und zusammen mit seinem Bruder familiär mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile gehalten habe.

Seit dem 29. September 2015 hält der Beigeladene zu 1. zwei Drittel der Geschäftsanteile der Klägerin. Hierauf hat die Beklagte im Wege eines von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses festgestellt, dass für die Zeit ab 29. September 2015 kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mehr bestehe und der streitige Bescheid sich nur auf den Zeitraum 4. Februar 2014 bis 28. September 2015 beziehe.

Mit Urteil vom 24. Januar 2018 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Maßgeblich sei, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum als Geschäftsführer nur Minderheitsgesellschafter gewesen sei. Ob der Beigeladene zu 1. tatsächlich von den Mehrheitsgesellschaftern kontrolliert worden sei, sei rechtlich unerheblich. Im maßgeblichen theoretischen Konfliktfall hätte der Beigeladene zu 1. einem Weisungs- und Kündigungsrecht der Mehrheitsgesellschafter unterlegen. Auch über eine Sperrminorität habe der Beigeladene zu 1. nicht verfügt. Die familiäre Bindung an einen Mitgesellschafter sei rechtlich unerheblich.

Gegen das ihr am 1. Februar 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin hat am 16. Februar 2018 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe zu Unrecht entscheidend auf die Menge der Geschäftsanteile abgestellt. Maßgeblich sei das Gesamtbild der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin, das aufgrund der konkreten Befugnisse auf Selbständigkeit deute. Er sei weisungsfrei tätig gewesen, zusammen mit seinem Bruder habe er im Rahmen familiärer Rücksichtnahme ...

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