Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitssuche. Unionsbürger. Europarechtskonformität. Arbeitslosengeld II als Sozialhilfeleistung iS der EGRL 38/2004. Keine Verletzung des EuFürsAbk. Freizügigkeitsgesetz. Europäisches Fürsorgeabkommen. EU-Ausländer. Aufenthalt zum Zweck der Arbeitssuche

 

Orientierungssatz

1. Der Leistungsausschluss für ausländische Staatsangehörige bei Aufenthalt zur Arbeitsuche gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 ist auch bei Unionsbürgern europarechtskonform, sofern er solche Leistungen nach dem SGB 2 betrifft, die nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, sondern den Lebensunterhalt sichern sollen. Sozialhilfeleistungen iS von Art 24 Abs 2 EGRL 38/2004 sind, wie sich auch aus dem Zusammenhang mit Art 7 Abs 1 Buchst b der Richtlinie ergibt, alle finanziellen Mittel, die der Existenzsicherung dienen. Nicht dazu zählen finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen.

2. Der Wirksamkeit des Leistungsausschlusses gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 steht auch nicht das EuFürsAbk entgegen. Ein Hilfebedürftiger, der in der Absicht einreist, Sozialleistungen zu erlangen, wird nicht vom Schutzbereich des EuFürsAbk erfasst.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die nach § 172 Abs. 1 und § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2009 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren, zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Anspruchsgrundlage für die von ihm begehrten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach diesem Buch zwischen 15 und 65 Jahre alte erwerbsfähige Personen, die hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Ausgenommen sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Dies ist bei dem Antragsteller, der britischer Staatsangehöriger ist, der Fall. Sein Aufenthaltsrecht ergibt sich allein aus dem - von ihm in einem Schreiben an den Antragsgegner vom 10. Mai 2007 eingeräumten - Zweck der Arbeitssuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950, 1986) in der Fassung vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970). Danach sind freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Der 38jährige Antragsteller, von dessen Erwerbsfähigkeit mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen ist, ist nach seinem Vortrag am 1. Dezember 2006 in die Bundesrepublik eingereist. Er verfügt über eine Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), die zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt.

Ein Aufenthaltsrecht aus sonstigen Gründen kommt nicht in Betracht. Denn der Antragsteller war nach seinem Vortrag bisher in Deutschland weder beschäftigt noch ist er einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen. Auch aus dem Gemeinschaftsrecht folgt kein über den Zweck der Arbeitssuche hinausgehendes Aufenthaltsrecht.

Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mietgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl. L 158/77; sog. Unionsbürgerrichtlinie) sieht ein (bis auf Passförmlichkeiten) voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern nur für einen Zeitraum von drei Monaten vor; dieser Zeitraum ist hier abgelaufen. Artikel 7 der Unionsbürgerrichtlinie gewährt ein Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate nur, wenn der Unionsbürger Arbeitnehmer ode...

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