Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Besorgnis der Befangenheit bei einem Sachverständigen. ungünstiges Gutachten in einem vorhergehenden Verfahren als Befangenheitsgrund. mangelhaftes Gutachten als Befangenheitsgrund

 

Orientierungssatz

1. Allein der Umstand, dass ein Sachverständiger bereits in einem anderen Verfahren ein ungünstiges Gutachten in Bezug auf denselben Kläger angefertigt hat, rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit.

2. Eine mögliche fehlende Sachkunde eines Gutachters führt nicht zur Ablehnung wegen Befangenheit, sondern kann allenfalls den Beweiswert des Gutachtens beeinflussen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet, da das Sozialgericht mit dem angegriffenen Beschluss deren Gesuch, den Sachverständigen Dr. B wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zu Recht abgewiesen hat.

Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit berechtigen, abgelehnt werden (§ 118 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in Verbindung mit § 406 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]). Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hat das Gericht auszusprechen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Auf den Sachverständigen übertragen bedeutet das, dass ein Grund vorliegen muss, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Nicht entscheidend ist, ob er tatsächlich befangen ist; vielmehr kommt es nur darauf an, ob ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftigem Überlegen Bedenken gegen die Unparteilichkeit haben kann.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die von der Klägerin mit ihrem Antrag vorgebrachten Kritikpunkte rechtfertigen kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Gutachters Dr. B.

Wie das Sozialgericht in dem angegriffenen Beschluss vom 17. Juni 2011 zutreffend ausgeführt hat, berechtigt der Umstand, dass der Sachverständige die Klägerin bereits in einem anderen sozialgerichtlichen Verfahren, dem Rentenstreit zum Az. S 13 R 548/08, am 19. Juni 2009 untersucht und ein für diese ungünstiges Gutachten erstellt hatte, nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Die Behauptungen der Klägerin, der Sachverständige habe sie seinerzeit angebrüllt und es habe eine feindselige, von Misstrauen geprägte Atmosphäre geherrscht, sind nicht glaubhaft gemacht worden (§ 406 Abs. 3 ZPO). Diese Vorwürfe hat Dr. B in seiner Stellungnahme vom 16. Juni 2011 als unrichtig zurückgewiesen. Gegen die Behauptungen der Klägerin spricht auch, dass sie im vorgenannten Klageverfahren in ihrer Stellungnahme vom 7. August 2009 zum Gutachten vom 22. Juni 2009 weder das Anbrüllen noch die feindselige Atmosphäre erwähnt hatte.

Der Umstand, dass der Sachverständige den Ehemann der Klägerin nicht zu der Untersuchung am 19. Juni 2009 zugelassen hatte, ist nicht geeignet, seine Befangenheit zu begründen. Dr. B hat in seiner Stellungnahme vom 16. Juni 2011 dargelegt, dass er gutachterliche Untersuchungen grundsätzlich ohne Begleitpersonen vornehme. Dies hat er nachvollziehbar damit begründet, dass gerade bei der Beurteilung der psychischen Situation die Anwesenheit einer vertrauten Begleitperson in manchen Fällen eine Verzerrung der Untersuchungsbefunde zu befürchten sei. Auch der Umstand, dass Deutsch nicht die Muttersprache der Klägerin ist, hatte die Anwesenheit des Ehemanns nicht notwendig gemacht. Nach der Einschätzung des Gutachters war die Klägerin ausreichend mit der deutschen Sprache vertraut gewesen, um ihre gesundheitlichen Beschwerden zu verbalisieren.

Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich die Besorgnis der Unvoreingenommenheit des Gutachters nicht darauf ableiten, dass er sie - wie sie behauptet - seinerzeit auf den Tod ihres Vaters angesprochen und damit bei ihr einen Weinkrampf ausgelöst hatte. Ebensowenig ist zu erkennen, dass der Sachverständige die Klägerin der Lächerlichkeit preisgegeben hätte, indem er im Gutachten vom 22. Juni 2009 die Tonbandaufnahme wörtlich protokolliert hatte, ohne die sprachlichen Fehler zu korrigieren. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass der Gutachter gerade den Beschwerdevortrag des Probanden möglichst exakt wiederzugeben hat. Hierzu ist ein Wortprotokoll das geeignete Mittel.

Eine Ablehnung wegen Befangenheit kann mit den von der Klägerin geäußerten Bedenken an der Qualifikation des Gutachters nicht begründet werden. Ein (angeblicher) Mangel an Sachkunde kann zwar ein Gutachten entwerten, aber für sich allein nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit rechtfertigen.

Die entsprechend § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Beschwerde keinen Erfolg hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

BauSV 2014, 61

Kf...

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