Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kooperationsvertrag zwischen Krankenhäusern. Beeinträchtigung der Wahlfreiheit gesetzlich Versicherter. ordentliches Kündigungsrecht. keine Berufung auf Gefahr eines Versorgungsnotstandes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Kooperationsvertrag zwischen Krankenhäusern, der geeignet ist, die Wahlfreiheit gesetzlich Versicherter im Bereich der stationären Krankenhausversorgung zu beeinträchtigen und den Versorgungsauftrag eines Krankenhauses zu verkürzen, darf gekündigt werden.

2. Auf die Gefahr eines Versorgungsnotstandes für gesetzlich Versicherte kann sich ein zur Versorgung zugelassenes Krankenhaus nicht berufen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten für das Beschwerdeverfahren.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine zwischen dem Antragsgegner und der Antragstellerin im Jahr 2003 geschlossene Kooperationsvereinbarung zur Behandlung von Patienten im Bereich der Psychiatrie wirksam durch Kündigung zum 1. Juli 2019 beendet ist.

Die Antragstellerin ist eine in der Form der GmbH & Co KG organisierte Gesellschaft, die u.a. mehrere psychiatrische Fachkrankenhäuser in B-W betreibt, konkret die MEDIAN -Klinik O und die MEDIAN Klinik G B-B. Sie hat ihren Sitz in Berlin (Amtsgericht Charlottenburg, HRA 52657 B). Die MEDIAN Klinik G in B-B verfügt über 80 Behandlungsplätze (68 Betten, 12 teilstationäre Plätze). Die MEDIAN-Klinik A verfügt über 78 Behandlungsplätze (69 Betten und 9 teilstationäre Plätze). Die beiden Krankenhäuser sind durch Versorgungsverträge nach § 109 SGB V zur Krankenhausbehandlung auf dem gesamten Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie zur Versorgung gesetzlich Versicherter zugelassen (Versorgungsverträge aus 2011).

Für die MEDIAN-Klinik A lautet der Versorgungsvertrag wie folgt:

㤠1 Gegenstand

1. Das Krankenhaus wird gemäß § 108 Nr. 3 SGB V zur Erbringung von Krankenhausbehandlung zugelassen. Es erbringt im Rahmen dieses Versorgungsvertrages Krankenhausbehandlung gemäß § 39 SGB V.

2. Das Krankenhaus hält dafür in dem Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie 69 Betten und 9 Plätze vor.

§ 2 Strukturänderungen

1. Strukturänderungen sind Änderungen der Fachgebiete, der Bettenzahl, des Trägers bzw. der Gesellschafts- und/oder der Gesellschafterstruktur. […]

2. Bei nicht vereinbarten Änderungen der Fachgebiete oder der Bettenzahl oder bei Wechsel des Trägers, der Gesellschaftsform oder den Gesellschaftern entfällt dieser Vertrag.

§ 3 Geltungsbereich

Nach § 109 Abs. 1 Satz 3 SGB V gilt dieser Vertrag für alle Krankenkassen im Geltungsbereich dieses Gesetzes unmittelbar.

§ 4 Rechte und Pflichten der Vertragspartner

Inhalt und Umfang der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragspartner bei der Erbringung der Krankenhausbehandlung in dem Krankenhaus sind durch die zwei- und dreiseitigen Verträge nach §§ 112 und 115 SGB V sowie durch die Verträge nach §§ 115a und 115b SGB V in der jeweils gültigen Fassung festgelegt.“

Für die MEDIAN Klinik G B-B wurde ein inhaltsgleicher Versorgungsvertrag geschlossen mit dem Unterschied, dass sie 68 Betten und 12 Plätze zur Versorgung bereithält.

Der Antragsgegner ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in Emmendingen und betreibt u.a. ein Fachkrankenhaus u.a. im Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie vom 3. Juli 1995 - EZPsychG) nach eigenen Angaben mit differenziertem Versorgungsangebot für die ca. 1,3 Millionen Einwohner der Region Süd- und Mittelbaden (Stadt- und Landkreise Rastatt/Baden-Baden, Südliche Ortenau, Emmendingen, Freiburg, Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach). Die Landesanstalt wurde an Stelle des früheren Psychiatrischen Landeskrankenhauses Emmendingen (PLK Emmendingen) errichtet. Das Fachkrankenhaus verfügt über 600 Plätze (nach Internet-Auftritt mit 533 Betten insgesamt, d.h. 515 Betten im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie, 64 teilstationäre Plätze in dem Fachgebiet, 18 Betten und 13 teilstationäre Plätze im Fachgebiet Psychosomatische Medizin und Psychotherapie). Gemäß § 2 EZPsychG erfüllt die Anstalt Aufgaben der vollstationären, teilstationären und ambulanten Krankenversorgung in den Fachgebieten Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters und in angrenzenden Fachgebieten.

Bis 1994 wurde die erforderliche Krankenhausbehandlung psychisch kranker Menschen auch in den Kreisen Rastatt und Baden-Baden von dem PLK Emmendingen durchgeführt. Gemäß Planungen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg aus dem Jahr 1994 wurde ausgeführt, dass eine gemeindenahe psychiatrische (Voll-)Versorgung mit Krankenhausbehandlung in den zuvor von dem PLK Emmendingen versorgten Gebieten d...

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