Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeut. Zulassungsentziehung wegen sexuellem Missbrauch von Minderjährigen

 

Orientierungssatz

Zur Entziehung der Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung wegen gröblicher Pflichtverletzung (hier: sexueller Missbrauch von Minderjährigen).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.08.2012; Aktenzeichen B 6 KA 3/12 B)

 

Tenor

DieBerufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.11.2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen 3 bis 6, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 249.276,42 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung.

Der 1951 geborene Kläger hat 1987 seine psychotherapeutische Ausbildung abgeschlossen und ist seitdem als Psychotherapeut tätig. Seit 1999 ist er als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung in F... zugelassen.

Seit Beginn des Jahres 2000 behandelte er (zunächst) einmal wöchentlich die 1987 geborene K... A... (K.A.). Seit Januar 2003 unterhielt der Kläger zunächst freundschaftliche Kontakte zur KA. und ab April 2003 bis etwa 08./09. Mai 2003 kam es zwischen ihm und der K. A. zu sexuellen Kontakten.

Der Kläger hat in diesem Zeitraum der K.A. während der Therapiestunden unter der Bekleidung an die Brüste gefasst sowie die Brüste der K.A. geküsst. Zudem fasste er der K.A. über der Bekleidung an das Geschlechtsteil und tauschte mit ihr Zungenküsse aus.

Mit Strafbefehl vom 23.10.2003 verurteilte das Amtsgericht Tettnang den Kläger wegen acht tatmehrheitlicher Vergehen des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen (von 45 €, insgesamt 6750 €). Der Strafbefehl ist seit 11.11.2003 rechtskräftig.

(Mit Bescheid vom 16.02.2004 teilte die Approbationsbehörde dem Kläger mit (vgl. Bl. 42 SG-Akte):

“Zwar werden wir den o.g. Tatbestand nicht zur Einleitung eines berufsrechtlichen Verfahrens wegen Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit gegen Sie mit dem Ziel des Widerrufs der Approbation gem. § 3 Abs. 2 PsychThG zum Anlass nehmen, wir müssen jedoch von Ihnen erwarten, dass Sie sich künftig der sich aus dem PsychThG ergebenden Pflichten als Kinder und Jugendlichenpsychotherapeut in Ihrem weiteren Berufsleben immer bewusst sind. Nur dann gefährden Sie Ihre Approbation nicht. Ein weiteres auffälliges Verhalten würde die Gefahr des Widerrufs Ihrer Approbation nach sich ziehen ".

Im Juni 2004 wandte sich die Mutter der K.A. wegen dieser Vorfälle an ihre Krankenkasse. Diese beantragte nach Kenntnis des Strafbefehls mit Schreiben vom 28.10.2004 beim Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg die Entziehung der Zulassung des Klägers zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit. Mit Schreiben vom 29.05.2006 beantragte die Beigeladene zu 1 ebenfalls, dem Kläger die Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zu entziehen. Hieraufhin beschäftigte sich der Zulassungsausschuss in seiner Sitzung am 27.06.2006 erstmals mit dem Sachverhalt Der Zulassungsausschuss forderte den Kläger auf, einen Nachweis über die von ihm in Anspruch genommene psychotherapeutische Behandlung sowie ein psychiatrisches Gutachten von einem öffentlich bestellten psychiatrischen Gutachter vorzulegen, aus dem sich u.a. ergibt, dass eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der im Strafbefehl des Amtsgerichts Tettnang festgestellten Handlungen beim Kläger nicht besteht. Der Kläger legte daraufhin die ärztliche Bescheinigung von Dr. H vom 11.07.2006 (Bl. 56 der Verwaltungsakten) vor. In dieser bestätigt Dr. H... dass der Kläger sich vom 23.05.2003 bis zum 08.12.2003 in seiner analytischen Psychotherapie mit insgesamt 27 Stunden befand. Die Diagnose lautete reaktive Depression.

Mit Bescheid vom 31.07.2006 entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger die Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung. Zur Begründung wurde angeführt, auf Grund der Häufigkeit und Schwere der Taten sei die Entziehung der Zulassung des Klägers zum Schutz der vertragspsychotherapeutischen Versorgung und der Versicherten notwendig und auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das einzige geeignete Mittel.

Seinen dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass der Zulassungsausschuss die Voraussetzung der “Ungeeignetheit für die Ausübung der Kassenarztpraxis„ verkannt habe und seine Entscheidung auf unsachliche Erwägungen stütze. Auch würde durch den Entzug der Zulassung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Da 90 Prozent der Bevölkerung gesetzlich krankenversichert seien und er seine Praxis allein mit Privatpatienten nicht aufrecht erhalten könne, könnte er nach Zulassungsentziehung seinen Beruf als Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut nicht meh...

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