Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Frühgeburt. Mutterschaftsgeld bis in den dritten Lebensmonat des Kindes hinein. gesetzliche Fiktion als Bezugsmonat der Mutter. Elterngeld für den Vater erst ab dem vierten Lebensmonat. Geltung der Fiktion auch bei Erwerbstätigkeit der Mutter über 30 Wochenstunden. Klarstellung durch den Gesetzgeber. Bestimmungsrecht der Eltern über Verteilung der Bezugsmonate. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. Schutz der Familie

 

Leitsatz (amtlich)

Lebensmonate des Kindes, in denen Mutterschaftsgeld bezogen wurde, gelten nach § 4 Abs 3 S 2 BEEG in der vom 18.9.2012 bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung (vgl jetzt § 4 Abs 5 S 3 BEEG) als Monate, für die die Mutter Elterngeld bezogen hat (sog Anspruchsverbrauch). Dies gilt auch dann, wenn Mutterschaftsgeld nur für wenige Tage bezogen wurde und die Mutter im restlichen Monat gar nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört hat, weil sie einer Erwerbstätigkeit von mehr als 30 Wochenstunden nachgegangen ist.

 

Orientierungssatz

1. Mit der Änderung des § 4 Abs 3 S 2 BEEG durch das Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs (juris: EGeldVereinfG) zum 18.9.2012 hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs 1 BEEG anzurechnende Einnahmen zustehen, auch dann als Bezugsmonate gelten, wenn die Elterngeld beantragende Person in diesen Monaten die Voraussetzungen des § 1 BEEG nicht erfüllt (vgl BT-Drucks 17/9841 S 29). Damit hat er bewusst die entgegengesetzte, elterngeldfreundliche Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 26.5.2011 - B 10 EG 11/10 R) korrigiert und ihr die Grundlage entzogen.

2. Dadurch, dass der Lebensmonat, in dem anzurechnende Mutterschutzleistungen zustehen, kraft Gesetzes zwingend der Mutter zugeordnet wird (und deshalb der Vater für diesen Monat kein Elterngeld bekommen kann), wird das sich aus § 5 Abs 1 BEEG ergebende Bestimmungsrecht der Eltern, wer von ihnen welche der zwölf bzw vierzehn Bezugsmonate in Anspruch nimmt, nicht in verfassungswidriger Weise beschränkt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.06.2017; Aktenzeichen B 10 EG 6/16 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.11.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Elterngeld für den 14. Lebensmonat seiner Tochter J. N. (J).

Der 1969 geborene Kläger und die 1974 geborene D. K. (K) sind Eltern der am 23.02.2013 geborenen J. Beide waren vor der Geburt von J in Vollzeit berufstätig. K bezog vom 17.01.2013 bis 25.04.2013 Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Am 26.04.2013 nahm K ihre berufliche Tätigkeit im Umfang von mehr als 30 Wochenstunden wieder auf.

Der Kläger beantragte am 14.03.2013 Elterngeld für den 3. bis 14. Lebensmonat von J, K für die Lebensmonate 1 und 2. K nahm ihren Antrag mit Schreiben vom 25.03.2013 wieder zurück.

Mit Bescheid vom 19.04.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für den 3. bis 13. Lebensmonat (23.04.2013 bis 22.03.2014) iHv 1.350,11 €, für den 14. Lebensmonat (23.03. bis 22.04.2014) iHv 0,00 €. Lebensmonate, in denen andere Leistungen wie Mutterschaftsgeld zustehen, gälten als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht. Elterngeld könne daher nicht für den gesamten Zeitraum gezahlt werden.

Telefonisch wurde K laut Aktenvermerk mitgeteilt, dass sie die Möglichkeit habe, Elterngeld noch für die Monate 1 bis 3 zu beantragen und anteilig im 3. Lebensmonat Elterngeld beziehen könne, wenn 30 Arbeitsstunden wöchentlich nicht überschritten würden.

Gegen den Bewilligungsbescheid legte der Kläger am 30.04.2013 Widerspruch ein. Er sei mit der fehlenden Auszahlung für den 14. Lebensmonat nicht einverstanden. Es könne doch nicht sein, dass er einen vollen Monat kein Elterngeld bekomme, nur weil K für zwei Tage im dritten Lebensmonat von J Mutterschaftsgeld erhalten habe. Der Monat solle anteilig gekürzt um zwei Tage ausgezahlt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Monate, in denen mindestens an einem Tag Mutterschaftsgeld bezogen worden sei, seien auf den Bezugszeitraum  des Elterngeldes anzurechnen und würden damit als von der Mutter verbraucht gelten. Der Kläger könne zusammen mit K insgesamt nur 14 Lebensmonate seines Kindes Elterngeld erhalten, jeder Elternteil allein höchstens zwölf Lebensmonate. Da K in den ersten drei Lebensmonaten des Kindes Mutterschaftsleistungen erhalten habe, gälten diese Monate so, als wäre das Elterngeld von ihr beantragt und bezogen worden. Neben diesen drei Monaten könne nur noch für 11 weitere Monate Elterngeld gewährt werden, dem Kläger daher nicht über den 13. Lebensmonat hinaus.

Hiergegen richtet sich die am 01.07.2014 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Zur Begründung wird ausgeführt, J sei vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt gekommen, weshalb K im dritten Lebensmonat von J Mutterschaftsleistungen erhalten habe...

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