Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7. Abgrenzung: selbstständige Tätigkeit. abhängige Beschäftigung. freiwillige Nebentätigkeit. Honorarzahlung. Notarzt beim Rettungsdienst mit dem Hubschrauber. angestellter Krankenhausarzt

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nebentätigkeit eines angestellten Krankenhausarztes außerhalb seiner regulären Arbeitszeit als flugbegleitender Arzt beim Rettungsdienst mit dem Hubschrauber kann sich als versicherte Tätigkeit im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses darstellen (Abgrenzung zu BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R = SGb 2008, 401). Maßgeblich sind die von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung entwickelten Grundsätze.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. August 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger auch im Berufungsverfahren sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in beiden Rechtszügen zu tragen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalles im Zuständigkeitsbereich der Beklagten bzw. der Beigeladenen.

Der verstorbene Dr. U. M. (im Folgenden Dr. M.), Ehemann der Klägerin zu 1 sowie Vater der Kläger zu 2 bis 5, war seit dem 01.01.1985 in der Klinik S. als Oberarzt in der anästhesiologischen Abteilung sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach § 6 des Arbeitsvertrages vom 10.01.1986 bedurfte die Ausübung einer Nebentätigkeit gegen Entgelt der Genehmigung. Die Arbeitgeberin (zu diesem Zeitpunkt die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg) genehmigte unter dem 12.10.1988 zunächst die Teilnahme am Notarztdienst im Auftrag des Kreiskrankenhauses L. Die Nebentätigkeit dürfe nur in der Freizeit ausgeübt werden. Die Nebentätigkeitsgenehmigung wurde letztmalig im Juni 2005 aktualisiert. Erfasst war von der Genehmigung auch die Nebentätigkeit als flugbegleitender Arzt für die D. e.V. (nunmehr D. AG, im Folgenden nur: D.) außerhalb der Arbeitszeit.

Seit dem 01.09.2003 flog Dr. M. für die D. bei Rettungsflügen mit. Ein schriftlicher Vertrag zwischen Dr. M. und der D. bestand nicht.

Die D. hat mit dem Sozialministerium Baden-Württemberg eine Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes für den Rettungsdienst (R.) abgeschlossen. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf Bl. 76 bis 80 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Ein Vertrag zwischen der D. und dem Klinikum S. existiert nicht.

Am 28.09.2005 war Dr. M. nach dem Dienstplan des D. als Notarzt für den Hubschrauber “C.„ eingeteilt. In der Klinik S. hatte er an diesem Tag dienstfrei. Im Rahmen eines angemeldeten und geplanten Intensivtransportfluges begleitete er eine Patientin der Klinik S. mit dem Ziel des Klinikums G. in M. In der Nähe von W. stürzte der Hubschrauber ab. Alle vier Insassen verstarben.

Aufgrund der Unfallanzeige der D. bei der Beklagten holte diese Auskünfte bei der D. und der Klinik S. ein. Die Klinik S. teilte unter dem 20.10.2005 und 03.01.2006 mit, dass Dr. M. (Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin) seit dem 01.01.1985 im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung als Oberarzt in ihrem Hause tätig gewesen sei. Die Absolvierung von Notarzteinsätzen habe nicht zu den arbeitsvertraglich festgelegten Dienstaufgaben gehört. Die Notarzteinsätze seien im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit ausgeübt worden. Für die Klinik S. bestehe keine Verpflichtung, Ärzte zum Rettungsdienst zur Verfügung zu stellen. Die Mitwirkung der Ärzte beim Rettungsdienst erfolge in deren Freizeit, wobei keine Anrechnung auf die Arbeitszeit erfolge. Da die Teilnahme am Rettungsdienst ausschließlich freiwillig erfolge, erhalte die Klinik auch keine Gebühr hierfür. Bei dem Einsatz am 28.09.2005 habe eine geplante Verlegung einer Patientin stattgefunden, für die die Begleitung eines Arztes erforderlich gewesen sei. Dr. M. habe diese Aufgabe wahrgenommen, da er an diesem Tag an der Klinik S. dienstfrei gehabt habe und im Dienstplan der Rettungsflugwacht eingeteilt gewesen sei. Er habe an dem Hubschraubertransport nicht als Klinikarzt teilgenommen.

Die D. gab unter dem 22.12.2005 an, dass ihrer Kenntnis nach die an die Notärzte gezahlten Beträge zu versteuern seien und es sich nicht um Auslagenersatz handele. Die Vergütung pro Tag betrage 335 € in den Sommermonaten und 289 € in den Wintermonaten. Ihrer Kenntnis nach seien alle Akutkliniken zur Sicherstellung der Versorgung zur Notarztgestellung verpflichtet. Die Meldung der Ärzte zur Notarzttätigkeit erfolge jedoch auf freiwilliger Basis. Auch frei praktizierende Ärzte nähmen am Rettungsdienst teil. Hinsichtlich der Entgeltabrechnungen für Dr. M. wird auf Bl. 34 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Mit fünf inhaltsgleichen Bescheiden vom 31.01.2006, adressiert jeweils an einen der Kläger, lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 28.09...

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