Entscheidungsstichwort (Thema)

Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Bewilligung von Rehabilitationsleistungen. Orientierung an Leistungsanspruch der GKV-Versicherten

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB 8 dürfen medizinische Rehabilitationsmaßnahmen nur von solchen Leistungserbringern erbracht werden, die auch in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Leistungserbringung zugelassen sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2013; Aktenzeichen B 1 KR 50/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.06.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 5.725,94 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der klagende Jugendhilfeträger begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung der Kosten einer dem Beigeladenen gewährten Verhaltenstherapie in einer Privatpraxis.

Der Beigeladene wurde 1994 geboren und ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens in Form eines Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS).

Bereits im Zeitraum von 2002 bis 2004 fand eine - vorliegend nicht streitgegenständliche - heilpädagogische Entwicklungsmaßnahme im Psychologischen Institut Sch. (PIA) statt. Der Kläger bewilligte dem Beigeladenen diese Maßnahme und übernahm die Kosten, nachdem die Beklagte eine Kostenübernahme mit dem Argument ablehnte, eine solche Maßnahme gehöre nicht zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Am 03.05.2005 beantragten die Eltern des Beigeladenen bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Verhaltenstherapie in der psychotherapeutischen Privatpraxis Dr. N. in Sch.. Zur Begründung gaben sie an, sie seien seit Ende 2004 - bislang ohne Erfolg - bemüht, einen Platz bei einem Verhaltenstherapeuten mit Kassenzulassung zu finden. Um einer Chronifizierung vorzubeugen, benötige der Beigeladene sobald wie möglich therapeutische Hilfe. Mit Schreiben vom 03.05.2005 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Die Kosten für eine Therapie außerhalb der geltenden Verträge sei nicht möglich. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) habe drei zugelassene Ärzte mit freien Therapieplätzen benannt. Dort könne eine Behandlung zulasten der Beklagten erfolgen. Nachdem die Eltern des Beigeladenen der Beklagten mitgeteilt hatten, dass sie einen Therapieplatz bei einem zugelassenen Therapeuten nicht bekommen könnten, leitete die Beklagte die Antragsunterlagen mit Schreiben vom 07.06.2005 an den Kläger weiter.

Der Kläger ließ den Beigeladenen daraufhin begutachten. Die Gutachter, Dipl. Psych. U. und Prof. d. B., gelangten im Gutachten vom 11.07.2005 zu dem Ergebnis, dass ein dringender Therapiebedarf bestünde. Verhaltenstherapie erscheine aufgrund des ausgeprägten ADHS besonders geeignet, wobei ein reines Verhaltens- und Strategietraining nicht ausreichend sei, sondern auch die familiäre Problematik wichtiger Therapieinhalt sein solle. Andere anerkannte Therapieverfahren für die Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen kämen ebenso in Frage, wobei die empfohlene Psychotherapie eine Leistung der Krankenkasse sei. Die Voraussetzungen für Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) iVm § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) seien gegeben.

Am 22.07.2005 ging dem Kläger - auf seine Veranlassung hin - ein von den Eltern des Beigeladenen ausgefülltes Formular zur Beantragung von ambulanter Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII zu.

Mit Bescheid vom 26.07.2005 bewilligte der Kläger dem Beigeladenen die Kostenübernahme für eine Verhaltenstherapie bei Dr. N. als Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Der Kläger begrenzte die Kostenübernahme vorläufig auf 60 Therapieeinheiten. Der Therapeutin teilte der Kläger zugleich mit, es sei ein Antragsverfahren nach der Psychotherapie-Richtlinie erforderlich.

In der Zeit vom 02.08.2005 bis 04.10.2005 führte Dr. N. fünf probatorische Sitzungen mit dem Beigeladenen durch. Mit Rechnung vom 14.10.2005 forderte Dr. N. hierfür von dem Kläger einen Betrag in Höhe von insgesamt 231,15 €. Sie rechnete auf Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM) und der Punktwertermittlung der KVBW ab. Der Kläger zahlte diesen Betrag.

Mit Schreiben vom 21.10.2005 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten für die probatorischen Sitzungen geltend. Hierauf antwortete die Beklagte, dass sich ihre Auffassung zur außervertraglichen Psychotherapie nicht geändert habe. Sie schlug vor, die bereits anhängigen Gerichtsverfahren in parallelen Streitigkeiten abzuwarten.

Am 25.10.2005 übermittelte Dr. N. der Beklagten einen Antrag nach Formblatt “PTV 2a„ der Psychotherapie-Richtlinie.

Vom 11.10.2005 bis 18.07.2006 erbrachte Dr. N. insgesamt 31 verhaltenstherapeutische Einzelbehandlungen zu...

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