Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Übergangsleistung. Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung. Sonderrechtsnachfolge. fälliger Anspruch. Vererbung. Regelungslücke. redaktionelles Versehen. Auslegung. Erbengemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Die §§ 56 ff SGB I enthalten eine Regelungslücke. Nicht geregelt ist die Frage, ob nicht-fällige Ansprüche übergehen, die wegen § 59 Satz 2 SGB I nicht erloschen sind, aber wegen § 56 Abs.1 SGB I nicht auf den Sonderrechtsnachfolger übergehen. Aus dem Regelungszweck der §§ 56 - 59 SGB I ist aber darauf zu schließen, dass diese Ansprüche trotz des Wortlauts des § 58 Satz 1 SGB I dem Erben zustehen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.02.2008; Aktenzeichen B 2 U 18/06 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. August 2005 abgeändert.

Der Bescheid vom 4. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2004 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, die Erbengemeinschaft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht, ob dem verstorbenen Ehegatten der Klägerin Übergangsleistungen zugestanden haben und ob diese gegebenenfalls auf die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin übergegangen sind.

Der Ehegatte der Klägerin, welcher seine Beschäftigung zum 30. April 1994 eingestellt hatte, beantragte am 4. Januar 1999 die Anerkennung seiner Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK). Nach Abschluss ihrer medizinischen Ermittlungen prüfte die Beklagte, ob dem Ehegatten der Klägerin Übergangsleistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV) zustanden. So forderte die Beklagte unter dem 5. September 2000 beim Arbeitsamt Stuttgart und bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz Angaben über eventuell gezahlte Leistungen sowie beim Ehegatten der Klägerin Lohnabrechnungen an. Mit Bescheid vom 1. März 2001 anerkannte die Beklagte die Hauterkrankung des Ehegatten der Klägerin als BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV ab 1. Mai 1994 und lehnte einen Rentenanspruch ab, da eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigender Höhe nicht vorliege. Weitere Ermittlungen im Hinblick auf die Bewilligung von Übergangsleistungen erfolgten mit Schreiben vom 24. Oktober 2000 und 20. März 2001 beim Arbeitsamt Stuttgart, 5. Juli, 8. August und 12. April 2001 beim Ehegatten der Klägerin sowie 12. April 2002 bei der IKK Stuttgart

Am 22. April 2002 teilte die Klägerin der Beklagten unter anderem mit, ihr Ehegatte sei am 11. Oktober 2001 verstorben. Im Übrigen bat sie um weitere Bearbeitung der Angelegenheit, insbesondere um eine Bescheidung hinsichtlich der noch nicht gewährten Übergangsleistungen.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Übergangsleistungen ab. Sie führte aus, die Übergangsleistungen seien für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 1994 wegen Verjährung ausgeschlossen. Auch für die Zeit ab dem 1. Januar 1995 könnten Übergangsleistungen nicht mehr gewährt werden, da für das Entstehen dieser Ermessensleistung der Zeitpunkt maßgebend sei, an dem die Entscheidung über die Leistung bekannt gegeben werde. Ein etwaiger Bescheid über die Übergangsleistungen hätte damit dem Ehegatten der Klägerin bekannt gegeben werden müssen, was jedoch nicht erfolgt sei. Den hiergegen am 20. Dezember 2003 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2004 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 7. Juli 2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. August 2005 ab und führte zur Begründung aus, der Anspruch auf die Übergangsleistungen als Ermessensleistung hätte erst nach seiner Feststellung auf einen Rechtsnachfolger übergehen können.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. September 2005 Berufung erhoben. Sie hat den Beschluss des Amtsgerichts K. vom 5. Mai 2002 vorgelegt, aus welchem hervorgeht, dass ihr Ehegatte kein Testament gemacht hat und sie sowie ihre beiden Kinder die ihnen gesetzlich angefallene Erbschaft angenommen haben.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. August 2005 und den Bescheid vom 4. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Erbengemeinschaft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist mit dem zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2006 gestellten Antrag b...

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