Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Ruhen des Krankengeldanspruchs. verspäteter Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. keine Befreiung des Versicherten von der Pflicht zur Vorlage von AU-Bescheinigungen aufgrund der Verpflichtung des Vertragsarztes zur Übersendung des Nachweises an die Krankenkasse nach dem EntgFG

 

Leitsatz (amtlich)

Aus der Regelung des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5 folgt grundsätzlich, dass der Versicherte binnen Wochenfrist die Arbeitsunfähigkeit seiner Krankenkasse zu melden hat und dass die Folgen der verspäteten Meldung von ihm zu tragen sind, selbst wenn ihn kein Verschulden an der verspäteten Anzeige trifft. Diese Obliegenheitsverpflichtung wird im Fall eines Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht durch § 5 Abs 1 S 5 EFZG (juris: EntgFG) suspendiert.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz: Entgegen LSG Essen vom 11.12.2003 - L 16 KR 159/02 und vom 26.8.2004 - L 16 KR 324/03 und BSG vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 = BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.11.2013 abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen als die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin Krankengeld für die Zeiträume vom 28.10.2010 bis zum 05.11.2010, vom 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 und vom 13.01.2011 bis zum 01.02.2011 zu gewähren.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nach der teilweisen Berufungsrücknahme noch um die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 28.10.2010 bis zum 01.02.2011. Darüber hinaus macht die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag in ihrer Anschlussberufung die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 20.03.2012 bis zum 12.04.2012 geltend.

Die Klägerin war seit 1999 bei der P. Aktiengesellschaft als Rechtsanwältin und Steuerberaterin tätig. Wegen dieser Beschäftigung war sie versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten, bei der es sich um die Betriebskrankenkasse der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin handelt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch arbeitsgerichtlichen Vergleich zum 31.12.2011.

Vom 20.07.2010 bis 13.08.2010 wurde der Klägerin auf Grund der Diagnose F 32.9 G (depressive Episode, nicht näher bezeichnet) von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. R. Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Am 12.10.2010 stellte Dr. R. eine weitere AU-Bescheinigung (AU-Bescheinigung; Erstbescheinigung) für den Zeitraum vom 11.10.2010 bis zum 22.10.2010 mit der Diagnose F 32.9 G aus. Hieran schlossen sich von Dr. R. ausgestellte Folgebescheinigungen vom 22.10.2010 bis zum 05.11.2010 (Diagnose F 32.9 G), vom 02.12.2010 bis zum 11.01.2011 (Diagnose F 41.2 G), vom 12.01.2011 bis zum 01.02.2011 (Diagnose F 41.2 G ≪Angst und depressive Störung gemischt≫) und vom 01.02.2011 bis 21.02.2011 (Diagnose F 32.1 G ≪ mittelgradige depressive Episode ≫) an. Weiter stellte die Fachärztin für Psychiatrie Dr. E. am 01.12.2010 (Diagnose F 41.2 G) Arbeitsunfähigkeit bis zum 11.01.2011 fest. Dr. E. stellte ferner am 12.01.2011 Arbeitsunfähigkeit (Diagnose F 41.2 G) bis zum 01.02.2011 und am 01.02.2011 Arbeitsunfähigkeit bis zum 21.02.2011 (Diagnose F 32.1 G) fest. Die Ärzte händigten der Klägerin jeweils beide Ausfertigungen der AU-Bescheinigungen für den Arbeitgeber und für die Krankenkasse aus. Die Klägerin übersandte ihrer damaligen Arbeitgeberin innerhalb weniger Tage die für diese bestimmte Ausfertigung. Die Klägerin erhielt darauf bis zum 27.10.2010 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch die Arbeitgeberin.

Die damalige Arbeitgeberin informierte sodann die Beklagte Ende Oktober 2010 von der Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte forderte die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 25.10.2010 und Erinnerung vom 09.11.2010 auf, AU-Bescheinigungen vorzulegen. Diese seien ihr unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche vorzulegen. Die Klägerin übersandte der Beklagten die einzelnen AU-Bescheinigungen am 03.02.2011.

Der von der Beklagten daraufhin beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK; Dr. R.) kam in seinem Gutachten vom 16.02.2011 zu dem Ergebnis, die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sei medizinisch nachvollziehbar.

Am 15.03.2012 bescheinigte Dr. E. mit Erstbescheinigung Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 12.04.2012. Als Diagnosen gab sie F 41.2 und F 32.1 an.

Die Beklagte gewährte der Klägerin vom 03.02.2011 bis 20.02.2012 Krankengeld mit einem täglichen Zahlbetrag von 80,52 €.

Mit Bescheid vom 23.03.2011, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 28.10.2010 bis zum 02.02.2011 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin habe ihr die Arbeitsunfähigkeit erst am 03.02.2011 gemeldet. Aus den AU-Bescheinigungen sei ersichtlich, dass es sich um Ausfertigungen zur Vorlage bei der Krankenkasse handele. Die Vorlage gegenüber dem Arbeitgeber reiche dahe...

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