Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Zugunstenverfahren. Aktualitätsprinzip. keine Nachzahlung von Analogleistungen gem § 2 Abs 1 AsylbLG für die Vergangenheit bei Bedürftigkeitswegfall

 

Orientierungssatz

Ein Asylbewerber, welchem dem Grunde nach Leistungen gem § 2 AsylbLG zustehen, hat keinen Nachzahlungsanspruch nach § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, wenn es zwischenzeitlich zu einem Bedürftigkeitswegfall gekommen ist (vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R = BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.06.2013; Aktenzeichen B 7 AY 3/12 R)

 

Tenor

Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Januar 2011 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die rückwirkende Bewilligung sog. Analogleistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).

Der 1960 geborene Kläger Ziff. 1, seine 1970 geborene Ehefrau, die Klägerin Ziff. 2, sowie deren 1990, 1992, 1996 und 2005 geborene Kinder, die Kläger Ziff. 3 bis 6, ägyptische Volkszugehörige, hielten sich zunächst nach erfolglosen Asylverfahren aufgrund einer Duldung in der Bundesrepublik Deutschland auf. Der Klägerin Ziff. 3 wurde nach rechtskräftiger Anerkennung eines Abschiebehindernisses (ab 13. Oktober 2005) eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt. Die übrigen Kläger erhielten ab dem 4. Oktober 2007 eine Aufenthaltserlaubnis. Seit 1992 bzw. ab Geburt bezogen die Kläger Grundleistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG. Der Leistungsbezug endete zum 31. Mai 2007, da der Kläger Ziff. 1 ausreichendes Einkommen erzielte, um den Lebensunterhalt der Kläger zu sichern. Staatliche Fürsorgeleistungen wurden anschließend nicht bezogen.

Am 4. November 2009 beantragten die Kläger beim Beklagten, u.a. ihnen unter Abänderung bestandskräftiger Bescheide gem. § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab dem 1. Januar 2005 bis zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG Analogleistungen nach § 2 AsylbLG unter Anrechnung bereits erbrachter Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Eine Nachfrage bei der Ausländerbehörde ergab, dass die Kläger außer der Stellung zweier Asylanträge nichts unternommen hatten, um ihren Aufenthalt zu verlängern. Mit Bescheid vom 12. Mai 2010 lehnte der Beklagte die Änderung bestandskräftiger Leistungsbewilligungen und die nachträgliche Gewährung von Analogleistungen ab. Zwar hätten die Kläger die erforderliche Vorbezugszeit von Grundleistungen erfüllt und die Aufenthaltsdauer auch nicht rechtsmissbräuchlich verlängert, sie lebten aber seit Juni 2007 aufgrund ausreichenden Einkommens unabhängig von Sozialhilfe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Nachzahlung aber abzulehnen, wenn die Bedürftigkeit wie bei den Klägern inzwischen temporär oder auf Dauer entfallen sei.

Zur Begründung der dagegen eingelegten Widersprüche trugen die Kläger vor, die Anwendung des “Aktualitätsgrundsatzes„ auf Nachzahlungen zu Unrecht versagter Analogleistungen für die Vergangenheit scheide aus, weil andernfalls das rechtswidrige Handeln des Beklagten sanktionslos bliebe. Die höheren Analogleistungen dienten der Förderung der Integration der Leistungsberechtigten. Dieser Bedarf sei zwischenzeitlich nicht weggefallen, da er mangels finanzieller Leistungsfähigkeit nicht habe gedeckt werden können. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen sei die Nachzahlung geboten, da die tatsächlich gewährten Grundleistungen nicht ausreichten, um das grundrechtlich gesicherte Existenzminimum zu gewährleisten. Dementsprechend habe das BSG die Nachgewährung von Analogleistungen im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X für zulässig erachtet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2010 wies der Beklagte die Widersprüche aus den Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.

Hiergegen haben die Kläger am 25. Oktober 2010 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen haben sie vorgetragen, die beantragten Nachzahlungsansprüche erfüllten in erster Linie den Zweck, das erforderliche Existenzminimum zunächst einmal zu erfüllen und die Verfassungswidrigkeit der gewährten Leistungen zu beseitigen.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Januar 2011 hat das SG die Klagen abgewiesen. Sozialhilfeleistungen müssten für einen zurückliegenden Zeitraum nur erbracht werden, wenn die Notlage im Zeitpunkt der beanspruchten Hilfeleistung noch bestehe, sie also den Bedarf des Hilfesuchenden noch decken könne. Dies setze eine aktuelle Bedürftigkeit voraus, die nur zu bejahen sei, wenn Hilfebedürftigkeit i.S.d. AsylbLG, des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) ununterbrochen vorliege. Sei die Bedürftigkeit wie bei den Klägern zwischenzeitlich entfallen, sei eine Nachzahlung abzulehnen. Die Änderung bestandskräftiger Bescheide könne daher trotz ihrer Rechtswidrigkeit nicht verlangt werden. Mangels Nachzahlungsansp...

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