Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. tarifliche Spesenzahlungen an Kraftfahrer für Verpflegungsmehraufwendungen. keine zweckbestimmte Einnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Bestimmung des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 (in der bis 31.3.2011 geltenden Fassung) unterfallen zwar auch zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage; die Privilegierung ist jedoch an strenge Voraussetzungen gebunden.

2. Die einem Kraftfahrer aufgrund Tarifvertrags als Ersatz für Verpflegungsmehraufwendungen gezahlten Spesen werden hiervon nicht erfasst.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. August 2009 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 8. März bis 31. Juli 2006.

Die im Dezember 1982 geborene Klägerin zu 1 und der im Juli 1979 geborene Kläger zu 2 sind miteinander verheiratet; aus der Verbindung ging die Klägerin zu 3 (geb. 2001) hervor. Die Kläger bewohnten in der streitbefangenen Zeit in E. (Landkreis Konstanz) eine 81 qm große Wohnung, für die sie monatlich 475,00 Euro zu entrichten hatten (Grundmiete 375,00 Euro, Garage 15,00 Euro, Vorauszahlung für die Kosten der zentralen Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen insgesamt 70,00 Euro, Wassergeld/Entwässerungsgebühren 10,00 Euro, Müllabfuhr 5,00 Euro). Der Kläger zu 2 war ab 4. Oktober 2005 in der Niederlassung Singen der H.D. R. GmbH & Co. KG als Kraftfahrer im Fernverkehr zu einem monatlichen steuer- und sozialversicherungspflichtigen Bruttogesamtlohn von 2.000,00 Euro beschäftigt; hinzu kamen steuerfreie Spesen in Höhe von 150,00 Euro (für Februar 2006), 258,00 Euro (für März 2006), 246,00 Euro (für April 2006), 186,00 Euro (für Mai 2006) sowie von 270,00 Euro (für Juni 2006). Der Nettoverdienst wurde jeweils zum Ende des laufenden Monats auf dem Konto des Klägers zu 2 regelmäßig zusammen mit den Spesen für den Vormonat gutgeschrieben (31. März, 28. April, 31. Mai, 30. Juni, 31. Juli 2006). Allerdings wurde das Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2006 erst am 1. März 2006 auf dem Konto des Klägers zu 2 gebucht; im Juli 2006 erhielt dieser ferner einen sich aufgrund einer Nachberechnung ergebenden weiteren Spesenbetrag von 270,00 Euro überwiesen (insgesamt also 540,00 Euro). Die monatlich schwankende Höhe der Spesenzahlungen ergab sich in Abhängigkeit von den Zeiten der Abwesenheit; danach waren gemäß Ziffer 9 des Arbeitsvertrags vom 16. September 2005 vom Arbeitgeber ab 8 Stunden Abwesenheit 6,00 Euro, ab 14 Stunden Abwesenheit 12,00 Euro sowie ab 24 Stunden Abwesenheit 24,00 Euro zu zahlen. Außerdem wurde für die Klägerin zu 3 Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro monatlich gewährt. Für den vom Kläger zu 2 gehaltenen Personenkraftwagen der Marke Honda “Civic 1500„ (Erstzulassung 6. Mai 1993) fiel ausweislich der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kontoauszüge ein monatlich zu entrichtender Beitrag zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung von 15,34 Euro an. Am 1. August 2006 sind die Kläger nach Cottbus verzogen.

Den von den Klägern am 8. März 2006 gestellten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 4. April 2006 ab, weil die Kläger bei den von ihnen nachgewiesenen Einkommensverhältnissen nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II seien; als anzurechnendes Einkommen setzte er dabei neben dem Kindergeld einen Betrag von 1.144,67 Euro an; dem stellte er einen Gesamtbedarf von 1.292,43 Euro gegenüber, welcher sich bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 aus einer Regelleistung von jeweils 311,00 Euro, bei der Klägerin zu 3 aus einem Sozialgeld von 207,00 Euro, außerdem aus den auf 463,43 Euro errechneten Kosten für die Unterkunft und Heizung (anteilige Grundmiete jeweils 125,00 Euro, anteilige sonstige Kosten jeweils 10,00 Euro, Heizkosten insgesamt 58,43 Euro ≪anteilig bei den Klägern zu 2 und 3 je 19,48 Euro, bei der Klägerin zu 1 19,47 Euro≫) zusammensetzte. Die Widersprüche der Kläger, mit denen u.a. eine Falschberechnung der Fahrkosten bemängelt wurde, wurden mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2006 zurückgewiesen, weil das Einkommen von insgesamt 1.516,67 Euro den Bedarf von 1.292,43 Euro deutlich übersteige.

Deswegen hat die Klägerin zu 1 am 2. Mai 2006 zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts (SG) Konstanz Klage eingereicht; sie hat geltend gemacht, der Beklagte habe zu Unrecht die vom Arbeitgeber gezahlten steuerfreien Spesen bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt. Ausgehend von dem beklagtenseitig errechneten Bedarf der Familie von 1.292,43 Euro bestehe sonach eine Differenz von monatlich 19,76 Euro. Das SG hat als Beteiligte auf Klägerseite nicht nur die Klägerin zu 1 betrachtet, sondern den erhobenen Anspruch nach dem sog...

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