Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Neufeststellung des Grads der Behinderung. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Versagung von Sozialleistungen bei fehlender Mitwirkung. analoge Anwendung des § 66 SGB 1. Vertretungsberechtigung eines Rentenberaters. Rechtsdienstleistungsregister. registrierter Erlaubnisinhaber. Alterlaubnis. Bezug zur Rente. Bestandsschutz. Versagung. Aufklärung des Sachverhalts. Treu und Glauben. Regelungslücke

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Prüfung der Vertretungsbefugnis eines Rentenberaters mit Alterlaubnis ist allein auf den Wortlaut der dem Rentenberater früher erteilten Erlaubnis zur Rentenberatung abzustellen.

2. Eine sich an heutigen Vorstellungen zum Rentenberaterberuf orientierende Auslegung von Alterlaubnissen steht nicht mit dem Sinn und Zweck des § 1 RDGEG, dass Alterlaubnisinhaber ihre früher erlaubten Rechtsdienstleistungen dauerhaft weiter erbringen können sollen, in Einklang.

3. Alterlaubnisinhaber können daher in Verfahren aus dem Schwerbehindertenrecht auch ohne konkreten Rentenbezug im Einzelfall beratungs- und vertretungsbefugt sein.

4. Die Regelungen der §§ 60 Abs 1 und 66 SGB 1 sind in auf die Neufeststellung des GdB gerichteten Verfahren analog anwendbar.

5. Nach dem für das Sozialrechtsverhältnis als öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis zwischen Behörde und Antragsteller anerkannten Mitwirkungsgrundsatz bestehen Mitwirkungspflichten darin, dass Behörden und Antragsteller alles in ihren Kräften Stehende und Zumutbare zu tun haben, um sich gegenseitig vor vermeidbaren, das Sozialrechtsverhältnis betreffenden Nachteilen oder Schäden zu bewahren.

 

Normenkette

SGB I § 60 Abs. 1 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; SGB IX § 69 Abs. 1 S. 2; SGG § 73 Abs. 2 Nr. 3; RDG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; RDGEG § 1 Abs. 3; RBerG Art. 1 § 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.12.2014; Aktenzeichen B 9 SB 3/13 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. März 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) wegen unterlassener Mitwirkung versagt hat.

Der Beklagte hatte bei der 1953 geborenen Klägerin unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. E. vom 08.04.2008, in der als Behinderungen eine posttraumatische Belastungsstörung, eine seelische Störung und ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 40 sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, ein Fibromyalgiesyndrom und ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem EinzelGdB von 20 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt worden war/en, mit Bescheid vom 14.04.2008 den GdB mit 50 seit 20.03.2008 festgestellt.

Am 07.08.2009 ließ die Klägerin durch Rentenberater E. unter Vorlage einer am 05.08.2009 unterschriebenen Vollmacht eine Überprüfung des Bescheides vom 14.04.2008 sowie eine Neufeststellung des GdB beantragen. Zur Begründung wurde ausgeführt, unfallbedingt sei eine chronifizierte und operativ zu versorgende Meniskusverletzung hinzugetreten. Unter dem 10.08.2009 übersandte der Beklagte seine Akten zur Einsicht und ein Antragsformular mit der Bitte, dieses bis Mitte September ausgefüllt zurückzusenden. Mit Schreiben vom 17.08.2009 kündigte Rentenberater E. eine Erledigung bis zum 31.10.2009 an. Am 03.12.2009 mahnte der Beklagte an, bis zum 15.01.2010 den Überprüfungsantrag zu begründen und das Antragsformular für den Neufeststellungsantrag ausgefüllt zu übersenden. Eine Antwort hierauf ging beim Beklagten indessen nicht ein. Mit Schreiben vom 25.01.2010 wies der Beklagte unter Hinweis auf die §§ 60 Abs. 1 und 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) darauf hin, er werde die beantragte Feststellung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) versagen, wenn die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht weiterhin nicht nachkomme und bis zum 01.03.2010 eine Antwort von ihr nicht vorliege.

Der Versorgungsarzt B. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.05.2010 als Behinderungen eine posttraumatische Belastungsstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom sowie ein Fibromyalgiesnydrom mit einem Einzel-GdB von 50 und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sowie einen Bandscheibenschaden mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 50. Eine Fehlbeurteilung könne nicht festgestellt werden.

Mit Bescheid vom 10.06.2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Er führte zur Begründung aus, die Klägerin habe keine neuen rechtserheblichen Tatsachen oder Gesichtspunkte vorgebracht und stütze sich vielmehr auf dieselben Tatsachen und Gesichtspunkte, die bereits bei Erteilung des Bescheides vom 14.04.2008 berücksichtigt worden seien. An dessen Bindung müsse daher festgehalten werden.

Mit weiterem Bescheid vom 11.06.2010 versagte...

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