Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB 6. Syndikusanwalt. keine Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs 4b SGB 6 iVm § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 bei Beendigung der Tätigkeit als Syndikusanwalt vor dem 1.1.2016

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen für einen rückwirkenden Befreiungsantrag nach § 231 Abs 4b SGB VI.

2. Keine Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs 4b SGB VI iVm § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, wenn die maßgebliche Tätigkeit als Syndikusanwalt vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1.1.2016 (hier am 31.12.2015) endete.

 

Orientierungssatz

§ 231 Abs 4b SGB 6 bewirkt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Personen, die am 1.1.2016 ihre Tätigkeit als Syndikusanwalt nicht mehr ausübten, gegenüber Personen, die am 1.1.2016 (weiterhin) ihre Tätigkeit als Syndikusanwalt ausübten.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. August 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für ihre Tätigkeit als Referentin Recht/Syndikusrechtsanwältin in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015.

Die am ... Juni 1984 geborene Klägerin ist Volljuristin und war zunächst ab 1. März 2012 als angestellte Rechtsanwältin bei M.B. Rechtsanwälte, S., sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Auf entsprechenden Antrag befreite die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 23. April 2012 für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin ab dem 20. März 2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 war die Klägerin als angestellte Juristin (Referentin Recht) für die L. Baden-Württemberg (L.) sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Seit 4. Januar 2016 ist die Klägerin als Richterin im Dienst des Landes Baden-Württemberg tätig.

I.

Am 28. Januar 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten für ihre Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin bei der L. die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI aufgrund ihrer gesetzlichen Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Die Mitgliedschaft bestehe seit dem 20. März 2012. Zugleich bestehe seit dem 20. März 2012 Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Baden-Württemberg.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2014 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Voraussetzung für die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer und zugleich in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung wegen ein und derselben Beschäftigung bestehe. Zwar sei die Klägerin aufgrund ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und zugleich des berufsständischen Versorgungswerks der Rechtsanwälte. Diese Pflichtmitgliedschaft bestehe jedoch nicht wegen ihrer Beschäftigung als Referentin Recht/Syndikusrechtsanwältin bei der L.. Sie sei nicht als Rechtsanwältin bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. Personen, die als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stünden (Syndikusrechtsanwälte), seien in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwälte tätig. Für die Ausübung derartiger Beschäftigungen sei daher eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 3. Juli 2014 Widerspruch. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2015 zurück (Bl. 34 VA). Die hiergegen am 20. April 2015 erhobene Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 21 R 2294/15 geführt. Im Hinblick auf die geplante gesetzliche Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte ordnete das Gericht auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 31. August 2015 das Ruhen des Verfahrens an. Am 26. April 2018 rief das SG von Amts wegen dieses Verfahren wieder an (neues Aktenzeichen: S 21 R 2091/18) und wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31. August 2018 ab. Es bestehe kein Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Es fehle an dem erforderlichen kausalen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der Klägerin bei der LBBW und der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Baden-Württemberg und der Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Die Klägerin habe auch keine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach § 46a BRAO in der ab 1. Januar 2016 geltenden Rechtslage besessen. Die gegen diesen Gerichtsbescheid am 4. Oktober 2018 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG...

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