Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung. Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige. Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger. keine Anwendbarkeit des § 111 SGB 10. keine Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Im gesetzlichen Auftragsverhältnis nach § 264 Abs 2 bis 7 SGB 5 iVm §§ 93 SGB 10 findet § 111 SGB 10 keine Anwendung. Die Ausschlussfrist nach § 111 S 1 SGB 10 greift nicht zu Lasten der erstattungsberechtigten gesetzlichen Krankenkassen (Anschluss an LSG Stuttgart vom 11.7.2012 - L 2 SO 2371/11 = SAR 2012, 110).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.11.2014; Aktenzeichen B 1 KR 13/13 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2012 aufgehoben und der Beklagte verurteilt an die Klägerin 4.474,12 € zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 4.474,12 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin von der Beklagten die Erstattung von Aufwendungen verlangen kann, die ihr durch die Krankenbehandlung (Arzneimittelbehandlung) der nicht krankenversicherten Sozialhilfeempfängerin H. (H) in den Zeiträumen vom 13. Januar 2004 bis 27. Dezember 2004 (geltend gemachte Aufwendungen in Höhe von 2.801,78 €) und vom 8. Februar 2005 bis 18. August 2005 (geltend gemachte Aufwendungen in Höhe von 1.672,34 €), in Höhe von insgesamt 4.474,12 € entstanden sind.

H. bezieht durchgehend seit 4. Oktober 2001 laufende Leistungen nach dem 3. bis 9. Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) bzw. den entsprechenden Vorgängervorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), nämlich die Übernahme der ungedeckten Heimkosten, sie selbst erhält einen Barbetrag. Zusätzlich erhielt H. seit 4. Oktober 2001 Krankenhilfe. Die Hilfegewährung war seither nach Auskunft des Beklagten nicht unterbrochen und wird nach wie vor gewährt (Auskunftsschreiben vom 13. Februar 2012- Bl. 94 SG-Akte).

Die Klägerin übernahm im vorliegend streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. August 2005 die Krankenbehandlung (einschließlich Arzneimittelversorgung) für nicht krankenversicherte Sozialhilfeempfänger und Empfänger laufender Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Baden-Württemberg. Einzelheiten zur Umsetzung der Leistungserbringung nach § 264 Abs. 2 bis 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), insbesondere für das Meldeverfahren, die Sicherstellung der ärztlichen Inanspruchnahme, die Verwaltungskostenerstattung, die Abschlagszahlung und das Abrechnungsverfahren wurden in einer Rahmenvereinbarung vom 14. November 2003 geregelt, geschlossen zwischen den Krankenkassen bzw. Krankenkassenverbänden und den Trägern der Sozialhilfe in Baden-Württemberg (Bl. 77 ff. der SG-Akte). Die Abrechnung und Erstattung der Leistungsaufwendungen wird unter Ziffer X geregelt: Die Krankenkassen nehmen danach vierteljährliche Abrechnungen vor, welche jeweils getrennt nach Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII und Leistungen nach dem AsylbLG die dort näher aufgeführten Angaben enthalten müssen. Eine Regelung bezüglich einer Ausschlussfrist oder Verjährung von Ansprüchen enthält die Rahmenvereinbarung nicht.

Die Klägerin rechnete die Aufwendungen für die Arznei- und Hilfsmittel über ein IT-Verfahren quartalsweise ab. Im Jahr 2004 wurden bei der Übernahme der Verordnungsdaten in das Abrechnungsprogramm aufgrund eines Programmfehlers lediglich 12 % des tatsächlichen Aufwendungsvolumens für die Arznei- und Hilfsmittel in Rechnung gestellt.

Mit Schreiben vom 8. Juni 2006 (Bl. 9 SG-Akte) teilte die Klägerin dem Städtetag Baden-Württemberg mit, dass eine Nachberechnung bei den Leistungsausgaben für betreute Sozialhilfeempfänger nach § 264 SGB V erforderlich sei. Es werde insgesamt zu Nachforderungen in Höhe von ca. 18 Millionen € kommen. Bei der Übernahme der Verordnungsdaten in das Abrechnungsprogramm sei es aufgrund eines Programmfehlers ab dem Jahr 2004 zu einer In-Rechnung-Stellung von lediglich 12 % des tatsächlichen Arzneimittelvolumens gekommen. Dieser Fehler sei zwischenzeitlich behoben, so dass eine vollständige Rechnungsstellung mit der nächsten Quartalsabrechnung (drittes Quartal 2006) veranlasst werden könne. Die Berechnung und Rechnungsstellung der Leistungsausgaben für die betreuten Sozialhilfeempfänger würden sich leider häufig nur mit zeitlicher Verzögerung abschließen lassen. Außerdem seien als Abschlagszahlung für die budgetierten Leistungen dem Sozialhilfeträger pro Haushaltsvorstand für das erste Quartal 2004 93,00 €, für die Quartale zwei bis vier jeweils 90,00 € in Rechnung gestellt worden. Nach der vorliegenden Endabrechnung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg hätte die Klägerin jedoch je Sozialhilfeempfänger im Jahr 2004 insgesamt eine durchschnittliche Pauschale in Höhe von 403,58 € entrichtet. Auch diesen Differenzbetrag würde sie in einer gesonderten Rechnung für jedes Quartal genau auflisten und nach...

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