Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Bereitschaftsarzt im Krankenhaus. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arzt, der auf Honorarbasis in einer nach § 111 SGB V zugelassenen Klinik als Bereitschaftsarzt tätig ist, übt keine abhängige Beschäftigung aus, wenn er selbst bestimmen kann, an welchen Tagen er für die Klinik tätig sein will und er bei der Durchführung des Bereitschaftsdienstes keiner Kontrolle der Klinik iSv Einzelanordnungen unterliegt. Die im Rahmen des Bereitschaftsdienstes notwendige Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal der Klinik führt noch nicht zu einer Eingliederung des Arztes in die Arbeitsorganisation der Klinik.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.05.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1) als Bereitschaftsarzt vom 20.02.2011 bis 30.04.2015 versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Klägerin ist Trägerin einer Klinik für medizinische Vorsorge- und Rehabilitation mit den Fachgebieten Innere Medizin/Kardiologie, Orthopädie/Unfallchirurgie und Neurologie. Es besteht ein Versorgungsvertrag nach § 111 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Der 1948 geborene Beigeladene zu 1) war vom 15.10.1990 bis 31.03.2010 als Chirurg mit eigener Praxis in W. niedergelassen. Er war anschließend noch für das S. M. (freiberufliche Tätigkeit als Notarzt), als Konsiliararzt für eine psychiatrische Klinik in W. und als Praxisvertretung für eine vertragsärztliche Praxis in L. tätig. Er ist Mitglied in der Versorgungsanstalt der Ärzte und von der Rentenversicherungspflicht befreit.

Am 24.01.2011 schlossen die Klägerin als Auftraggeber und der Beigeladene zu 1) als Auftragnehmer folgende Vereinbarung über freie Mitarbeit.

§ 1 Beginn und Ende des Vertragsverhältnisses

Der Vertrag beginnt zum 01. Februar 2011 und kann von beiden Seiten jederzeit unter Einhaltung einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende schriftlich gekündigt werden.

§ 2 Tätigkeit/Weisungsfreiheit

Der Auftragnehmer wird für den Auftraggeber als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis tätig und übernimmt fachübergreifende Bereitschaftsdienste im S. Gesundheitszentrum B. W.. Fachliche Vorgaben des Auftraggebers sind insoweit zu beachten, als dies zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung notwendig ist.

Der Auftragnehmer unterliegt bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen des Auftraggebers. Gegenüber den anderen Angestellten des Gesundheitszentrums hat der Auftragnehmer keine Weisungsbefugnis. Lediglich im Rahmen des Bereitschaftsdienstes besteht Weisungsbefugnis.

§ 3 Arbeitsaufwand/Betriebliche Anwesenheit

Art und Umfang der dem Auftragnehmer nach § 2 übertragenen Aufgaben richten sich nach den jeweiligen Dienstplänen für Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste.

Im Übrigen unterliegt der Auftragnehmer in der Ausgestaltung seiner Einsatzzeit keinen Einschränkungen. Der Auftragnehmer ist auch für andere Auftraggeber tätig.

§ 4 Vergütung/Aufwendungen

Als Vergütung gelten die derzeitigen Bereitschaftsdiensthonorare in Höhe von brutto € 23,-- pro Stunde des Bereitschaftsdienstes. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zahlung von sonstigen Kosten, gleich aus welchem Rechtsgrund; diese sind mit der Vergütung abgegolten.

Der Auftragnehmer wird die gesamte Vergütung im Rahmen seiner Einkommenssteuererklärung angeben. Die Parteien sind sich darüber einig, dass keine Verpflichtung zum Lohnsteuer- und Sozialversicherungsabzug besteht. Der Auftragnehmer wird darauf hingewiesen, dass er nach § 2 Nr 9 SGB VI der Rentenversicherungspflicht unterliegen kann.

Der Auftragnehmer sichert zu, dass er gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersversorgung, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht, abgesichert ist und diese Absicherung aufrecht erhält. Der Auftragnehmer stimmt darüber hinaus im Falle einer Anfrage an die Deutsche Rentenversicherung gem § 7a SGB IV einem evtl hieraus folgenden späteren Eintritt der Versicherungspflicht bereits jetzt zu.

Der Beigeladene zu 1) stellte an die Klägerin monatlich Rechnungen. Ab September 2012 erhöhte sich der Stundenlohn auf 30 €.

Am 21.11.2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1). Sie teilte mit Schreiben vom 16.12.2011 der Beklagten mit, am S. Gesundheitszentrum seien festangestellte Mitarbeiter im gleichen Fachgebiet beschäftigt. Deren Arbeit unterscheide sich dadurch von der des Beigeladenen zu 1), dass die festangestellten Mediziner in die tägliche medizinische Versorgung fest eingebunden seien. Der Beigeladene zu 1) leiste ausschließlich nächtlichen Bereitschaftsdienst und ...

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