Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Einkommensberücksichtigung. Abzug von Beiträgen zur berufsständischen Versorgungseinrichtung. Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit. Privatentnahmen

 

Orientierungssatz

1. Der nicht nach § 26 Abs 1 SGB 2 bezuschusste Teil der Beiträge zum Versorgungswerk einer Architektenkammer eines selbstständig tätigen Architekten ist gem § 11 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 Buchst b SGB 2 vom Einkommen abzusetzen.

2. Grundlage der Einkommensermittlung für die begehrten Leistungen nach SGB 2 - für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2005 - sind nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 2 Abs 1 AlgIIV aF bei einer selbstständigen Tätigkeit die Betriebs(brutto)einnahmen, von denen gem § 11 Abs 2 Nr 5 SGB 2 iVm § 3 Nr 3 Buchst b AlgIIV aF die berücksichtigungsfähigen Betriebsausgaben abzusetzen sind. Hat der Selbstständige - wie aus der Summen- und Saldenliste eines betriebswirtschaftlichen Kurzberichtes zu ersehen - Entnahmen getätigt, die der Deckung von Kosten im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit dienten, so sind diese in entsprechender Höhe als Betriebsausgaben von den Betriebseinnahmen abzusetzen. Eine Berücksichtigung als Privatentnahme und damit als Einkommen scheidet aus.

3. Nach der ab 1.10.2005 geltenden Rechtslage erhöhen Privatentnahmen nicht das gem § 11 SGB 2 iVm § 2a AlgIIV, § 15 SGB 4 zu berücksichtigende Einkommen aus selbstständiger Arbeit. Der Betrag der Privatentnahmen eines Selbstständigen ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG nur ein Berechnungsfaktor und nicht dem Gewinn bzw Arbeitseinkommen nach § 15 SGB 4 gleichzusetzen (vgl BSG vom 9.3.1982 - 3 RK 9/80 = BSGE 53, 138 = SozR 2100 § 15 Nr 5).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.07.2008; Aktenzeichen B 14 AS 44/07 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Bescheide der Beklagten vom 2. Mai 2006 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.07.2005 sowie die Aufhebung und Rückforderung der für diese Zeit erbrachten Leistungen streitig.

Der ... 1963 geborene Kläger Ziff. 1 ist als selbständiger Innenarchitekt tätig. Er führt mit seiner ... 1963 geborenen Ehefrau (Klägerin Ziff. 2) und den ... 1989 und ... 2001 geborenen Kindern (Kläger Ziff. 3 und 4) einen gemeinsamen Haushalt. Im Haushalt lebt weiter der ... 1983 geborene Sohn P.

Auf den Antrag der Kläger vom 31.01.2005 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.03.2005 den Klägern Ziff. 1 bis 4 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 01.02.2005 bis 31.03.2005 in Höhe von 249,68 € monatlich und vom 01.04.2005 bis 31.07.2005 in Höhe von 556,68 € monatlich. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Nebenkosten könnten nicht in voller Höhe übernommen werden, weil eine Pauschale in Höhe von 25 € für die Warmwasseraufbereitung in der Regelleistung enthalten sei. Das für Februar und März 2005 ausgezahlte Wohngeld werde zwischen der Wohngeldstelle des Landratsamtes und der Arge Rems Murr verrechnet. Dieser bereits ausgezahlte Betrag sei deshalb im Februar und März 2005 abgesetzt worden. Die Bedarfe für den Sohn P seien nicht berücksichtigt, dieser müsse ggf. einen eigenen Antrag auf Alg II stellen. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, das nach § 11 SGB II zu berücksichtigende Einkommen sei falsch berechnet worden. Es fehle der beim Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit abzusetzende Pauschalbetrag in Höhe von 30 % der Betriebseinnahmen. Darüber hinaus fehle der nach § 11 Abs. 2 SGB II zu berücksichtigende Absetzbetrag für angemessene Versicherungen. Vom Einkommen eines jeden volljährigen Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft seien 30 € monatlich pauschal für angemessene private Versicherungen abzusetzen. Es fehle auch der Absetzbetrag für Pflichtversicherungen, insbesondere der Abzug für die nachgewiesene Kfz-Versicherung. Auch fehle der nach § 30 SGB II zu berücksichtigende besondere Freibetrag bei Erwerbstätigkeit. Der Kläger Ziff. 1 sei als selbständiger Architekt beim Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg versichert und zahle dort den ermäßigten Monatsbeitrag in Höhe von 250 €. Die monatliche Belastung für die Krankenversicherung betrage 277,12 €. Schließlich bestehe auch ein Anspruch für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2005, da der Antrag am 31.01.2005 gestellt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2005 gab die Beklagte dem Widerspruch insoweit statt, als ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 in Höhe von 594,43 € monatlich und ab 01.04.2005 in Höhe von 901,43 € monatlich anerkannt wurde. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit Änderungsbescheid vom 28.07.2005 bewilligte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.02.2005 bis 31.07.2005 in letztgenannt...

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