Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit. unzureichende Eigenbemühungen. Festlegung in der Eingliederungsvereinbarung. monatliche Auflistung der Bewerbungsaktivitäten. Fristversäumnis. Nachweis. Beweismittel. konkretisierte Aufforderung mit Rechtsfolgenbelehrung unabhängig von der Eingliederungsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit wegen unzureichenden Eigenbemühungen sind neben unzureichenden Eigenbemühungen der fehlende Nachweis. Ein Nachweis erfolgt durch Beweismittel, worunter Urkundenbeweis, Zeugenbeweis, Augenschein etc. zu verstehen sind. Die in einer Eingliederungsvereinbarung geforderte monatliche Dokumentation der Eigenbemühungen in Form einer auf eigenen Angaben des Arbeitssuchenden beruhenden Auflistung der konkret zu bezeichnenden Bewerbungen stellt kein Beweismittel dar. Die nicht fristgerechte Vorlage dieser Dokumentation erfüllt nicht den Sperrzeittatbestand.

2. Darüber hinaus ist eine pauschalisierte Vorabvereinbarung über zu erbringende Nachweise nicht mit dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung, an die zur rechtzeitigen und umfassenden Vorwarnung des Arbeitslosen wegen der gravierenden Folgen und des formalen Charakters hohe Anforderungen zu stellen sind, vereinbar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.04.2017; Aktenzeichen B 11 AL 5/16 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.04.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Sperrzeitbescheid vom 19.11.2014 sowie der Änderungsbescheid vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 28.11.2014 aufgehoben werden.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Klägerin wegen unzureichenden Eigenbemühungen eine Sperrzeit von zwei Wochen mit einer Minderung der Anspruchsdauer eingetreten ist.

Die 1964 geborene Klägerin war vom 01.01.2000 bis 31.08.2010 als kaufmännische Mitarbeiterin bei der Firma S. G. F. & C. GmbH in W. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber am 27.03.2014 durch ordentliche Kündigung zum 31.08.2014 beendet. Am 14.08.2014 meldete sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit F. (AA) mit Wirkung zum 01.09.2014 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld I (Alg). Mit Bescheid vom 02.09.2014 bewilligte die AA der Klägerin für die Zeit vom 01.09.2014 bis 30.11.2015 Alg in Höhe von täglich 44,83 €.

In der am 28.08.2014 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung ist, soweit vorliegend relevant, vereinbart:

“2. Aktivitäten von G. M. :

3. Sie unternehmen pro Kalendermonat - beginnend ab 01.09.2014 für September 2014 - mindestens sechs Bewerbungsaktivitäten (schriftlich, telefonisch, persönlich, per E-Mail, initiativ) inklusive Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im kaufmännischen Bereich.

Sie dokumentieren ihre Aktivitäten in Form einer Auflistung (mit Daten: Datum, Name, Arbeitgeber, Berufsbezeichnung, Art der Bewerbung, aktuelles Ergebnis).

5. Die Auflistung aller Bewerbungsaktivitäten bringen Sie zu jeden Termin in der Arbeitsvermittlung mit.

Sollte kein Termin vereinbart sein, reichen Sie die Auflistung pro Kalendermonat unaufgefordert immer bis spätestens 05. des Folgemonats (für September bis 05.10.2014, für Oktober bis 05.11.2014, usw.) ein.

Mitteilungsmöglichkeiten: Schriftlich per Post, per Mail an … oder persönlich am Empfang der Arbeitsagentur L. .

7.

Rechtsfolgebelehrung:

Wenn sie die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen ohne wichtigen Grund nicht nachweisen, tritt eine Sperrzeit von zwei Wochen ein. Dies gilt auch dann, wenn die Eigenbemühungen nicht zu dem genannten Termin oder unvollständig nachgewiesen werden. Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Leistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenbeihilfe, Teilarbeitslosengeld), das heißt, Leistungen werden nicht gezahlt. Ihre Anspruchsdauer vermindert sich um die Tage der Sperrzeit (§ 148 Abs. 1 Nr. 3 SGB III).

Hinweise dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben wird und wann eine Sperrzeit eintritt, enthält das “Merkblatt für Arbeitslose, “Ihre Rechte - Ihre Pflichten„.„

Am 16.11.2014 teilte die Klägerin der AA per E-Mail unter Übersendung ihrer Bewerbungslisten mit, sie bitte um Entschuldigung, dass sie bei der Versendung der Bewerbungslisten einen Fehler gemacht habe. Es erfolgte eine Nachfrage der AA, wann die Klägerin das Mail schon einmal geschickt habe, da nichts ersichtlich sei (Vermerk vom 17.11.2014).

Die AA hörte die Klägerin zum Eintritt einer Sperrzeit gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGB III an. Im Rahmen der Anhörung teilte die Klägerin am 18.11.2014 mit, bei einem Telefonat mit der Hotline der AA M. sei ihr gesagt worden, es sei kein Problem. Das Datum habe sie sich nicht notiert. Sie habe die Liste versendet jedoch ein Fehlerprotokoll nicht bemerk...

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