Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragshaftung des Hauptunternehmers im Baugewerbe gem § 150 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB 7. Beitragsrückstände des Nachunternehmers. Haftungsbeschränkung gem § 28e Abs 3d S 1 SGB 4. Bagatellgrenze. maßgeblicher Gesamtwert. Vertragsinhalt zwischen Bauherrn und Hauptunternehmer

 

Orientierungssatz

Für die Bestimmung des Gesamtwertes der maßgeblichen Bauleistungen gem § 28e Abs 3d S 1 SGB 4 im Rahmen der Prüfung einer Begrenzung bzw eines Ausschlusses der Haftung des Hauptunternehmers hinsichtlich der Beitragsrückstände eines Nachunternehmers (§ 150 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB 7 iVm § 28e Abs 3a S 1 SGB 4) kommt es nicht auf den Vertrag zwischen dem Hauptunternehmer und dem Nachunternehmer, sondern auf den Inhalt des Werk- oder Dienstvertrags zwischen dem Bauherrn und dem Hauptunternehmer an.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.10.2017; Aktenzeichen B 2 U 1/15 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 808,14 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die beklagte Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft zu Recht die Klägerin, ein Bauunternehmen, für Beitragsrückstände eines von ihr beauftragten Subunternehmers in Anspruch nimmt.

Die Klägerin, die sich gegenüber der M. GmbH (Bauherr, nachfolgend B) verpflichtete, ab 25.10.2004 Rohbauarbeiten mit einer (voraussichtlichen) Gesamtvergütung in Höhe von 1.042.484,50 € netto zur Erstellung eines Ärztehauses in S. zu erbringen, beauftragte die S. - B. GbR (Subunternehmer, nachfolgend S) mit Arbeiten an der Bodenplatte. S war vom 09.02.2004 bis 31.12.2005 im Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen. Lohnnachweise reichte das Unternehmen nie ein. Die Einschätzung wurde von der Beklagten daraufhin mit 0 € Entgelt vorgenommen.

Am 25.11.2008 ging bei der Beklagten der Ermittlungsbericht des Hauptzollamtes H. vom 21.11.2008 ein. Daraus ergab sich, dass S in erheblichem Umfang Mitarbeiter beschäftigt hatte.

Mit zwei (geänderten) Beitragsbescheiden vom 22.12.2009 setzte die Beklagte für das Jahr 2004 und für das Jahr 2005 gegenüber den Gesellschaftern der S Beiträge zur Unfallversicherung in Höhe von 11.015,73 € und von 24.540,94 € fest, wobei die Höhe der Beiträge auf einer Schätzung der Lohnsummen beruhte.

Nachdem S die Forderungen nicht beglich, hörte die Beklagte die Klägerin (sowie weitere an der Erstellung des Ärztehauses beteiligte Bauunternehmen) zur Beitragshaftung als Auftraggeber gemäß § 150 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in Verbindung mit § 28e Abs. 3a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) an und wies darauf hin, dass S ihren Zahlungsverpflichtungen trotz Mahnung nicht nachgekommen sei. Gleichzeitig wurde die Klägerin aufgefordert, die Arbeitsentgelte für die von der Klägerin an S erteilten Aufträge mitzuteilen bzw. die den Aufträgen zugrunde liegenden Rechnungsunterlagen zur Verfügung zu stellen.

Die Klägerin legte die Schlussrechnung der S vom 27.05.2005 über die Netto-Auftragssumme in Höhe von 19.777,47 € vor, welcher allerdings Angaben zu den angefallenen Arbeitsentgelten nicht entnommen werden konnten. Gleichzeitig teilte die Klägerin mit, sie habe keine Informationen über die an die Beschäftigten von S gezahlten Arbeitsentgelte und wies noch darauf hin, es habe eine Freistellungsbescheinigung vom zuständigen Finanzamt, gültig von 01.09.2002 bis 31.12.2005 vorgelegen.

Aufgrund dieses Bauauftrages nahm die Beklage die Klägerin für die Beitragsrückstände der S in Höhe von 808,14 € in Anspruch. Da über die bei der Auftragsausführung angefallenen Arbeitsentgelte keine Angaben gemacht werden konnten, seien die Entgelte geschätzt worden und zwar entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Höhe von 2/3 der Netto-Auftragssumme. Ausgehend von einem Netto-Auftragsvolumen in Höhe von 19.777,47 € betrügen die beitragspflichtigen Arbeitsentgelte für 2005 13.183,66 €. Das Vorliegen einer vom Finanzamt ausgestellten Freistellungsbescheinigung befreie nicht von der Haftung nach § 150 Abs. 3 SGB VII. Erforderlich sei vielmehr eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers für den gesamten Bauausführungszeitraum (Bescheid vom 01.04.2010.

Die Klägerin legte Widerspruch ein und ließ vortragen, dass ausweislich der vorgelegten Unterlagen die Bagatellgrenze nach § 150 Abs. 3 SGB VII in Verbindung mit § 28e Abs. 3a und 3d SGB IV in der bis 30.09.2009 geltenden Fassung (a.F.) in Höhe von damals 500.000,-- € nicht erreicht sei. Die Bagatellgrenze sei nicht am Gesamtwert des Bauwerkes zu bemessen, sondern am Wert des Auftrages, für den gehaftet werden solle.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2011 zurück. Die in § 150 Abs. 3 SGB VII in Verbindung mit § 28e Abs. 3a SGB IV normierte Haftung eines Bauunternehmers, der andere Unternehmer mit der Er...

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