Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Berechnung. Einkommensermittlung. Nichtberücksichtigung von Insolvenzgeld. Veranlagungszeitraum. Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Steuerfreiheit. Gleichbehandlung. Widerrufsvorbehalt. Wesentliche Änderung

 

Leitsatz (amtlich)

Insolvenzgeld, das im für die Einkommensermittlung maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt des Kindes bezogen wird, bleibt bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit unberücksichtigt.

 

Normenkette

BEEG §§ 2, 1 Abs. 1, § 8 Abs. 2 S. 1; EStG § 3 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1; SGB X §§ 47, 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 3-4, § 50 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.02.2013; Aktenzeichen B 10 EG 12/12 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20.04.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Berücksichtigung von Insolvenzgeld bei der Berechnung von Elterngeld.

Der ledige Kläger, geboren 1972, lebt mit seinen Kindern F., geboren 2004, und M., geboren 2007, in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland. Er betreibt seit 1993 einen forstwirtschaftlichen Betrieb. Seit 1995 ist er bei einem Werkzeughersteller abhängig beschäftigt.

Im Jahr 2006 erzielte der Kläger zu versteuernde Einkünfte aus Forstwirtschaft in Höhe von 13.957,00 € (Einkommenssteuerbescheid für 2006). Anteilig entfielen hierauf Steuern in Höhe von 2.141,29 €. In der Zeit vom 01.09.2006 bis 30.11.2006 bezog der Kläger Insolvenzgeld in Höhe von 4.935,72 € (Bescheid vom 18.12.2006). Im Jahr 2006 hatte der Kläger außerdem folgende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (laut Verdienstabrechnungen, ohne Einmalzahlungen):

Monat 

Brutto in €

Steuern in €

Sozialabgaben in €

Netto in €

12/06 

2.675,98

506,48

580,69

1.588,81

08/06 

2.503,93

447,84

543,35

1.512,74

07/06 

2.396,18

412,01

519,98

1.464,19

06/06 

2.482,09

440,52

538,62

1.502,95

05/06 

2.389,06

409,66

518,42

1.460,98

04/06 

2.389,83

409,94

518,59

1.461,30

03/06 

2.361,44

400,61

512,43

1.448,40

02/06 

2.340,05

393,57

507,87

1.438,61

01/06 

2.298,12

380,02

498,69

1.419,41

Insgesamt

13.297,39

Nach der Geburt von M. hatte der Kläger in der Zeit vom 23.08.2007 bis 22.08.2008 zu versteuernde Einkünfte aus Forstwirtschaft in Höhe von 3.854,19 € (laut Gewinnermittlung). Anteilig entfielen hierauf Steuern in Höhe von 944,14 €.

Am 14.09.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Elterngeld für 12 Monate ab der Geburt seiner Tochter M. Zugleich beantragte die Mutter der Kinder, S. G., ebenfalls im Haushalt des Klägers wohnend, Elterngeld für die ersten beiden Lebensmonate von M. Im Antrag gab der Kläger an, er werde im Elterngeldbezugszeitraum keine Einkünfte erzielen. Mit Bescheid vom 22.11.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Elterngeld in Höhe von monatlich 1.377,13 € für den ersten und zweiten Lebensmonat und für den dritten bis zwölften Lebensmonat in Höhe von monatlich 1.251,94 € (wegen Wegfalls des Geschwisterbonus). Die Bewilligung erfolgte unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall, dass nach der Geburt Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird. Hiergegen legte der Kläger am 18.12.2007 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die angesetzten Beträge für Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit von den in der Arbeitgeberbescheinigung genannten Beträge abwichen. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Als Bemessungszeitraum sei abweichend von der Arbeitgeberbescheinigung der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich, also das Kalenderjahr 2006. Die einmaligen Bezüge (ERA-Komponente in Höhe von 32,59 € im Februar 2006, Urlaubsgeld in Höhe von jeweils 613,67 € in den Monaten März, April und Juni 2006, tarifliche Einmalzahlung in Höhe von 212,57 € im Mai 2006) könnten ebenso wie das Insolvenzgeld nicht berücksichtigt werden.

Am 25.07.2008 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, bei der Berechnung des Elterngeldes sei das Insolvenzgeld zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe nichts Gegenteiliges gewollt.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Änderungsbescheid vom 24.09.2009 erlassen, wonach Elterngeld für die ersten beiden Lebensmonate in Höhe von monatlich 1.321,27 € und für die folgenden Monate bis zum 12. Lebensmonat in Höhe von monatlich 1.201,15 € gewährt wird. Der Bescheid vom 22.11.2007 werde insoweit geändert. Die Differenz in Höhe von 619,62 € sei zurückzuzahlen. Die Änderung ergab sich aus der erstmaligen Berücksichtigung der Einkünfte nach der Geburt von M. sowie aus dem Ansatz höherer vorgeburtlicher Einkünfte aus Landwirtschaft (11.815,71 € statt 9.815,35 € netto).

Mit Urteil vom 20.04.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide verwiesen. Ergänzend hat das SG ausgeführt, die nachträgliche Änderung des Bewilligungsbescheides sei wegen des im Ausgangsbescheid verfügten Widerrufsvorbeh...

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