Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. erweiterte Hilfe. Aufwendungsersatz. Rechtmäßigkeit der Bewilligung als erweiterte Hilfe. Abgrenzung von Einkommen und Vermögen. Pflichtteilsanspruch. Privatinsolvenz. Wohlverhaltensphase. Obliegenheit zur Herausgabe der Hälfte des Pflichtteils. Belastung des Anspruchs mit der Forderung des Sozialhilfeträgers bereits bei Eingang auf dem Konto

 

Leitsatz (amtlich)

Die im Rahmen einer Privatinsolvenz bestehende insolvenzrechtliche Obliegenheit zur Herausgabe der Hälfte des Pflichtteils aus einem Erbfall entsteht erst mit dem Eingang auf dem Konto des Schuldners, weil ein Recht der Insolvenzgläubiger an dem bereits vorher mit dem Erbfall entstandenen Anspruch (§ 2317 Abs 1 BGB) auf den Pflichtteil nicht bestand. Zu diesem Zeitpunkt steht aber dem Schuldner der Betrag nicht mehr in vollem Umfange zu, weil bereits der Anspruch auf den Pflichtteil durch die Forderung des Sozialhilfeträgers (Aufwendungsersatz nach § 19 Abs 5 SGB XII - erweiterte Hilfe, sog unechte Sozialhilfe gegen Aufwendungsersatz) "belastet" war. Der Aufwendungsersatzanspruch des Sozialhilfeträgers war bereits ipso jure mit der Leistungsgewährung entstanden; bereits die Leistung war untrennbar mit der Entstehung der Pflicht zu ihrer späteren Rückzahlung verknüpft.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. November 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist der Umfang des aus erlangtem Pflichtteil zu leistenden Aufwendungsersatzes für erbrachte Eingliederungshilfe (§ 19 Abs. 5 Satz 1 SGB XII).

Die Klägerin leidet bereits länger an einer chronisch paranoid-halluzinatorischen Psychose (Bl. 69, 73, 163 VA). Die 2009 angeordnete Betreuung (Bl. 161 VA) wurde vom Amtsgericht S. später mit Beschluss vom 2.8.2013 aufgehoben (Bl. 48 SG-Akte).

Bei krankheitsbedingter Schuldenproblematik eröffnete das Amtsgericht K. mit Beschluss vom 23.4.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin (Az.: 42 IK 69/09). Mit Beschluss vom 7.10.2009 kündigte das Amtsgericht K. der Klägerin die Restschuldbefreiung an, wenn sie u. a. während der 6-jährigen Laufzeit (sog. Wohlverhaltensphase, Beginn am 23.4.2009) ihrer Abtretungserklärung den Obliegenheiten nach § 295 Insolvenzordnung (InsO) nachkomme und ernannte die Beigeladene zu 2. zur Treuhänderin. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 12.1.2010 aufgehoben (vgl. hierzu Bl. 31 ff SG-Akte). Der Klägerin wurde letztlich nach Ablauf der Wohlverhaltensphase mit Beschluss vom 12.5.2015 die Restschuldbefreiung erteilt (Bl. 34 LSG-Akte).

Während der Wohlverhaltensphase beantragte die Klägerin, die Alg II vom Beigeladenen zu 1. bezog, am 4.3.2011 durch ihre Betreuerin im Hinblick auf den für den 21.3.2011 bevorstehenden Umzug in das Therapeutische Wohnheim in B. für das Leben dort Eingliederungshilfe.

Während des Verwaltungsverfahrens verstarb am 19.3.2011 der Vater der Klägerin, P. K., der die Mutter der Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt hatte.

Mit Bescheid vom 29.3.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin antragsgemäß die Eingliederungshilfe in Form von Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten für die Zeit vom 21.3.2011 bis 31.3.2012 vorläufig nach Hilfebedarfsgruppe 1, geändert durch Bescheid vom 3.8.2011 nach Hilfebedarfsgruppe 3. Im Hinblick auf den durch den Erbfall möglichen Pflichtteilsanspruch der Klägerin wurden die Kostenzusagen nur unter Aufwendungsersatz gewährt (Bl. 209, 331 VA). Das Alg II in Höhe von 640,33 € monatlich zahlte der Beigeladene zu 1. fortan im Rahmen eines Erstattungsanspruchs an den Beklagten aus (Bl. 261 VA). Die Mutter der Klägerin wurde im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung zu einem Kostenbeitrag von 31,06 € monatlich herangezogen (Bescheid vom 29.3.2011; Bl. 249 VA).

Weiter gewährte der Beklagte der Klägerin unter Aufwendungsersatz Fahrtkosten zur Teilhabe am Arbeitsleben i.H.v. 64,80 € bzw. 64,70 € monatlich (vom 1.8.2011 bis 30.6.2012, Bescheide vom 12.8.2011, 13.10.2011 und 9.1.2012; Bl. 339, 427, 453 VA) und verlängerte ebenfalls unter Aufwendungsersatz die Kostenzusage für das Therapeutische Wohnen in B. für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2012 (Bescheid vom 1.3.2012; Bl. 517 VA).

Der Beklagte ermittelte zur Höhe des Nachlasses des K.. Zum Nachlass gehörten neben Bargeld in Höhe von 70.899 € ein hälftiger Miteigentumsanteil an einer Eigentumswohnung in L., deren Gesamtwert der Gutachterausschuss auf 235.000 € bezifferte (vgl. Bl. 397 - 415 VA). Nach Abzug der Verbindlichkeiten durch die Bestattung ergab sich ein Reinnachlass in Höhe von 181.116,27 €. Den daraus für die Klägerin, die 3 Geschwister hat, errechneten Pflichtteilsanspruch von 1/16 in Höhe von 11.319,77 € machte der Beklagte nach Abzug des Schonvermögensbetrages (2.600 €) in Höhe von 8.719,77 € als Aufwendungsersatz mit Bescheid vom 26.3.2012 ihr gegenüber geltend (Bl. 551 VA).

Die Betreuerin fordert...

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