nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Rentenbeginn. Zugangsfaktor. Beratungsfehler. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

Berät ein Versicherungsträger den Versicherten nicht über die naheliegende Gestaltungsmöglichkeit, Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erst für die Zeit nach Auslaufen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zu beantragen und führt dies zu einer Minderung des Zugangsfaktors für die Altersrente, ist dieser im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er erst zu diesem Zeitpunkt die Altersrente in Anspruch genommen.

 

Normenkette

SGB VI §§ 237, 77

 

Verfahrensgang

SG Reutlingen (Entscheidung vom 22.10.2003; Aktenzeichen S 7 RA 495/02)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Oktober 2003 wird unter Aufhebung des Bescheids vom 20. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2002 abgeändert. Der Bescheid vom 30. August 2004 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 17. März 1999 abzuändern und dem Kläger ab 1. August 1999 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung eines auf 0,931 verminderten Zugangsfaktors zu gewähren.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Tatbestand:

Im Streit steht die Höhe der dem Kläger im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu gewährenden Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Der am 1939 geborene Kläger war ab Oktober 1953 bei der Textilfirma S. , W. , beschäftigt. Dieses Unternehmen ist mittlerweile insolvent. Am 12. April 1996 schloss der Kläger mit dem ehemaligen Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen zum 30. November 1996 einen Aufhebungsvertrag unter Beachtung der tariflichen Kündigungsfrist von 7 Monaten zum Monatsende unter Zahlung einer Abfindung nach §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Höhe von 29.500,- DM. Ab 2. Dezember 1996 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld (Bewilligungsdauer 832 Tage).

Am 21. März 1996 stellte der Kläger angesichts seiner zum 1. Dezember 1996 eintretenden Arbeitslosigkeit bei der Beklagten Antrag auf Kontenklärung bzw. Rentenauskunft. In seinem Schreiben machte der Kläger deutlich, dass er beabsichtige, mit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu beantragen. Unter dem 25. April 1996 erteilte ihm die Beklagte eine Rentenauskunft.

Unter dem 6. Oktober 1998 beantragte der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres über den Versichertenältesten W ... Beigefügt war der Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld des Arbeitsamts Reutlingen vom 24. Oktober 1996 für 832 Wochentage ab 2. Dezember 1996, bewilligt bis 30. Juli 1999. Im Antrag "R 240", der ergänzend zum Antrag weitere Angaben in Bezug auf die Anhebung der Altersgrenzen bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erfragte, wurde u.a. auf die Möglichkeit zusätzlicher Beitragszahlung zur Abmilderung eines möglichen Rentenabschlags bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente hingewiesen. Im Antrag machte der Kläger u.a. geltend, die Altersrente zum 1. April 1998 (richtig: 1. April 1999) in Anspruch nehmen zu wollen. Ergänzend war durch den Kläger handschriftlich folgender Zusatz eingefügt: "Ich möchte eventl. 45 Jahre voll machen mit einer Nachzahlung! Wieviel muss ich nachzahlen, um keinen Abschlag zu bekommen?"

Mit Schreiben vom 3. März 1999 teilte die Beklagte mit, der Kläger könne ohne Rentenminderung frühestens zum 1. Juli 2001 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen. Allerdings seien die weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erfüllt, da bis 30. November 1996 nur 515 Kalendermonate beitragspflichtiger Beschäftigung vorliegen würden. Mit Schreiben vom 5. März 1999 erteilte die Beklagte eine Auskunft zum Ausgleich einer möglichen Rentenminderung. Diese könne jedoch durch Zahlung von 56.118,27 DM ausgeglichen werden. Von dieser Möglichkeit machte der Kläger keinen Gebrauch.

Mit Bescheid vom 17. März 1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. April 1999 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung eines Rentenabschlags wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme mit einem um 0,081 Punkte verminderten Zugangsfaktor.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2001 beantragte der Kläger sinngemäß die Überprüfung des Rentenbescheids nach § 44 SGB X, da er durch den Versichertenältesten W. falsch beraten worden sei. Er habe nach Abschluss des Aufhebungsvertrags den Versichertenältesten mehrfach aufgesucht und ihn wegen der zu erwartenden Rente bzw. der Auswirkung seiner Arbeitslosigkeit befragt. Herr W. habe ihm immer die Auskunft erteilt, dass seine Arbeitslosigkeit voll angerechnet werde und damit 45 Beitragsjahre in jedem Fall erfüllt seien. Aus diesem Grund habe er ein halbes Jahr vor seinem 60. Geburtstag mit ihm zusammen den Rentenantrag gestellt. Er habe auf die Richtigkeit dieser A...

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