Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Urteilsergänzungsverfahren. Ergänzung des erstinstanzlichen Urteils durch das Berufungsgericht. Antrag des Berufungsbeklagten. kein Übergehen des Rechtsmittelanspruchs bei Nichteinlegung der Berufung. Herstellungsanspruch kein Anspruch iS des § 123 SGG

 

Orientierungssatz

1. Das Urteil des ersten Rechtszugs kann nicht auf Antrag des Klägers nach § 202 SGG iVm § 528 ZPO vom Berufungsgericht ergänzt werden, wenn der Kläger keine Berufung eingelegt hat und deshalb ein Rechtsmittelanspruch des Klägers nicht übergangen worden sein kann.

2. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist kein Anspruch iS des § 123 SGG, sondern kann nur Rechtsgrundlage oder Teil einer Rechtsgrundlage sein, aus dem sich ein Anspruch (zB Anspruch auf Elterngeld) ergibt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.08.2013; Aktenzeichen B 10 EG 16/13 B)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Ergänzung des Senatsurteils vom 22.01.2013 (L 11 EG 1995/12) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Urteilsergänzung geltend.

Mit Urteil vom 22.01.2013 (L 11 EG 1995/12) hob der Senat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.04.2012 auf und wies die Klage der Klägerin ab. Im Streit stand die Höhe des Elterngeldes für das Kind A. B. (im Folgenden: A).

Die im Jahr 1972 geborene, verheiratete Klägerin ist die Mutter der am X.12.2008 geborenen A. Sie lebt mit A in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreut und erzieht das Kind selbst. Die Klägerin ist seit 2001 bei der D. AG abhängig beschäftigt. Vor der Geburt von A bezog die Klägerin ab dem 24.10.2008 Mutterschaftsgeld. Im Zeitraum vom 01.10.2007 bis 30.09.2008 hatte sie Bruttoeinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 84.187,91 €. Darin waren geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen in Form eines Arbeitgeberdarlehens sowie eines Dienstwagens mit enthalten. In dem genannten Zeitraum entfielen auf das Einkommen der Klägerin insgesamt 26.997,16 € Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 7.431,09 €. Nach der Geburt von A bezog sie zunächst bis 30.01.2009 Mutterschaftsgeld. Ihre Arbeitstätigkeit übte die Klägerin zunächst nicht aus, erhielt jedoch von ihrem Arbeitgeber weiterhin geldwerte Vorteile für ihren Dienstwagen, den sie noch bis Ende März 2009 privat nutzte, sowie ein Arbeitgeberdarlehen. Am 04.07.2009 nahm die Klägerin wieder ihre Arbeit im Umfang von 27,38 Wochenstunden auf. Im Zeitraum vom 04.07.2009 bis 04.11.2009 hatte sie Bruttoeinkünfte in Höhe von insgesamt 21.532,57 €. Hierauf entfielen Steuern in Höhe von 5.827,67 € und Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 2.472,03 €.

Am 27.05.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für den vierten bis elften Lebensmonat von A. Im Antragsformular gab sie an, erst ab Juli 2009 wieder Einkommen zu erzielen. Mit Bescheid vom 15.07.2009 bewilligte die Beklagte vorläufig Elterngeld in Höhe von 300,00 € monatlich für den vierten bis siebten Lebensmonat von A. Nach Vorlage der erforderlichen Einkommensnachweise werde der Anspruch überprüft. Am 17.07.2009 erging ein Änderungsbescheid, mit dem die Beklagte das Elterngeld für den vierten bis siebten Lebensmonat von A auf monatlich 1.800,00 € festsetzte. Der Anspruch sei überprüft worden. Der Bescheid vom 15.07.2009 werde entsprechend geändert. Über den Anspruch ab dem achten Lebensmonat könne erst entschieden werden, wenn die Arbeitgeberbescheinigung eingereicht werde. Die übrigen Bestimmungen des Bescheides vom 15.07.2009 behielten weiterhin ihre Gültigkeit.

Am 31.07.2009 ging bei der Beklagten die Arbeitgeberbescheinigung für das nachgeburtliche Einkommen der Klägerin ein. Mit Änderungsbescheid vom 19.08.2009 setzte die Beklagte das Elterngeld für den vierten bis elften Lebensmonat vorläufig auf monatlich 784,53 € fest. Der Bescheid vom 17.07.2009 werde insoweit abgeändert. Der Differenzbetrag von 4.061,88 € sei zurückzuerstatten. Die endgültige Höhe des Elterngeldes werde nach Ablauf des Bezugszeitraums ermittelt. Das Einkommen aus dem geldwerten Vorteil für den Firmenwagen bzw das Arbeitgeberdarlehen sei als Einkommen nach der Geburt anzurechnen. Die Klägerin habe im Antragsformular keine entsprechenden Angaben gemacht. Hiergegen legte die Klägerin am 28.09.2009 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 05.10.2009 hörte die Beklagte die Klägerin zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen an. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2009 (ohne Absendevermerk) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zum Arbeitslohn zählten auch regelmäßig wiederkehrende geldwerte Vorteile. Diese müssten daher sowohl vor als auch nach der Geburt berücksichtigt werden. Dabei sei unerheblich, ob Einkommen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder während des “Ruhens„ des Beschäftigungsverhältnisses erzielt werde. Da in allen Bezugsmonaten Erwerbseinkommen erzielt worden sei, sei das durchschnittlich e...

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