Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Verabreichung von Zytostatika im Rahmen ambulanter Krankenhausbehandlung. Krankenkasse. kein Anspruch gegen Krankenhausträger auf Erstattung von Umsatzsteuer für in 2008 bis 2011 individuell hergestellte Arzneimittel und Arzneimittelzubereitungen bei Zahlung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Verletzung vertraglicher Nebenpflichten. Beurteilung nach Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Selbstveranlagung. Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung im Falle einer rückwirkend entfallenden Umsatzsteuerpflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Krankenkassen haben keinen Anspruch gegen den Träger eines Krankenhauses auf Erstattung von Umsatzsteuer, die sie für in den Jahren 2008 bis 2011 individuell hergestellte und an ihre Versicherten im Rahmen ambulanter Behandlungen verabreichte Arzneimittel und Arzneimittelzubereitungen gezahlt haben, wenn und solange die Zahlung der Umsatzsteuer durch den Krankenhausträger an das Finanzamt auf einer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgten Steuerfestsetzung (§ 164 AO) beruht.

2. Die Frage, ob der Krankenhausträger eine vertragliche Nebenpflicht verletzt, ist nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Selbstveranlagung zu beurteilen.

3. Eine Pflicht des Krankenhausträgers zur Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung im Falle einer rückwirkend entfallenden Umsatzsteuerpflicht besteht nur, wenn dies zwischen ihm und der Krankenkasse ausdrücklich vereinbart wurde.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.04.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 26.990,71 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung der Umsatzsteuer in Höhe von 26.990,71 €, welche die Klägerin für in den Jahren 2008 bis 2011 individuell hergestellte und an ihre Versicherten im Rahmen ambulanter Behandlung verabreichte Arzneimittel und Arzneimittelzubereitungen gezahlt hat.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts ein Universitätsklinikum, das ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Krankenhauses ist mit angeschlossener Krankenhausapotheke.

Die Beteiligten haben vereinbart, dass zwischen ihnen die von der Beklagten ua mit der A. R. geschlossenen Verträge über die Abgabe von Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke der Beklagten für Abgaben an Versicherte der Klägerin gelten sollen (im Folgenden: Arzneimittelpreisvereinbarung). Für die Jahre 2008 bis 2010 galt die Arzneimittelpreisvereinbarung vom 30.12.2004, die auszugsweise wie folgt lautet:

§ 5 Preisberechnung

Die Regelungen zur Preisberechnung ergeben sich aus der Anlage 1. Sie sind Bestandteil dieser Vereinbarung.

Der abgerechnete Preis darf den Abgabepreis der öffentlichen Apotheken unter Berücksichtigung aller gesetzlich bestimmten Rabatte (§ 130 und § 130a SGB V) nicht überschreiten.

§ 11 Beanstandungen

(1) Beanstandungen (zB Rechnungs- und Taxbeanstandungen) müssen von den jeweiligen Krankenkassen gegenüber dem Krankenhausträger bzw der Abrechnungsstelle innerhalb von 12 Monaten nach Ende des jeweiligen Monats vorgenommen werden, in dem die Lieferung erfolgte. ...

Anlage 1 - Preisberechnung

(2) Für parenterale Infusionslösungen wird der Abgabepreis wie folgt berechnet:

Arzneimittel, Trägerlösung (jeweils Lauer-EK zum Zeitpunkt der Abgabe minus 1%)

+ Applikationshilfe (Lauer-EK zum Zeitpunkt der Abgabe minus 1%)

+ 15 EUR (pauschaler Arbeitspreis pro applikationsfertiger Einheit)

+ Mehrwertsteuer

...

Für das Jahr 2011 galt die Arzneimittelpreisvereinbarung vom 01.01.2011, die auszugsweise wie folgt lautet:

§ 5 Preisberechnung

(1) Die Regelungen zur Preisberechnung ergeben sich aus den Anlagen 1 und 2. Sie sind Bestandteil dieser Vereinbarung.

(2) Der abgerechnete Preis darf den Abgabepreis der öffentlichen Apotheken unter Berücksichtigung aller gesetzlich bestimmten Rabatte (§ 130 und § 130a SGB V) nicht überschreiten. ...

§ 11 Beanstandungen

(1) Beanstandungen (zB Rechnungs- und Taxbeanstandungen) müssen von den jeweiligen Krankenkassen gegenüber dem Krankenhausträger bzw der Abrechnungsstelle innerhalb von 12 Monaten nach Ende des jeweiligen Monats vorgenommen werden, in dem die Lieferung erfolgte. ...

Anlage 1 - Vergütungen

5. Zubereitungen...

6. Zytostatikahaltige parenterale Lösungen, parenterale Lösungen mit monoklonalen Antikörpern, cmr-Wirkstoffe, parenterale Lösungen mit Schmerzmitteln....

13. Umsatzsteuer

Den nach den Nrn 1 bis 12 ermittelten Abrechnungspreisen der Anlage 1 ist die Umsatzsteuer hinzuzufügen. Der Herstellerrabatt nach § 130a SGB V (ohne Rabatt nach Abs 8) wird nach Ermittlung des Abrechnungspreises mit Umsatzsteuer abgezogen. Die Umsatzsteuer ist in der Abrechnung auszuweisen. Der Ansatz der Umsatzsteuer entfällt, soweit Umsatzsteuerpflicht nicht besteht.

Die Beklagte verabreichte au...

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