Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Gefahrtarif 2008. Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe. Bäckerei- und Konditoreibetriebe. keine getrennte Veranlagung für den Vertrieb. gemeinsame Gefahrtarifstelle 1. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gefahrentarif 2008 der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten ist, soweit er sich auf die Gefahrtarifstelle 1 mit dem Gewerbezweig "Bäckereien und Konditoreien" unter gleichzeitiger Auflösung der nach dem Gefahrtarif 2005 noch vorhandenen gesonderten Gefahrtarifstelle für den Vertrieb bezieht, nicht zu beanstanden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 02. August 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.

Der Streitwert wird endgültig auf 41.905,41 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif der Beklagten ab 01.01.2008 streitig.

Die Klägerin betreibt eine Bäckerei mit einem Produktionsbetrieb und 22 Verkaufsfilialen (Stand 2008; aktuell 23 Filialen, vgl. www.a.de), teilweise mit angeschlossenem Kaffee - und Bistro-Betrieb. Der Großteil der dort verkauften Produkte stammt aus der eigenen Produktion, in geringem Umfang werden Teiglinge auch vor Ort gebacken. Insgesamt waren im Jahr 2008 180 Mitarbeiter beschäftigt, davon 35 in der Produktion, 120 in den Filialen einschließlich der Bistros und Kaffees (Vertrieb); zehn Mitarbeiter waren im Büro und zehn weitere Mitarbeiter als Ausfahrer tätig. Von der im Jahr 2008 aufgewandten Gesamtlohnsumme von 2,8 Millionen Euro entfielen auf die Produktion 0,9 Millionen Euro, auf den Bereich Vertrieb 1,6 Millionen Euro und auf den Bürobereich 0,3 Millionen Euro.

Vom 01.01.1999 bis 31.12.2007 waren die Bereiche Büro, Produktion und Vertrieb zu getrennten Gefahrtarifstellen veranlagt. Auf Grundlage des Gefahrtarifs 2005 war der Gewerbezweig “Bäckereien/Konditoreien„ zur Gefahrtarifstelle 1 unter die Gewerbegruppe 11 “Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen„ zur Gefahrklasse 6,0, der Vertrieb zur Gefahrtarifstelle 19 (Gefahrklasse 3,0), das Büro zur Gefahrtarifstelle 18 (Gefahrklasse 0,8) veranlagt (Bescheid vom 07.12.2005). Mit Beitragsbescheid vom 04.04.2007 wurde für das Jahr 2007 ein Beitrag von 39.232,79 Euro erhoben (Bruttobeitrag von 41.737,01 Euro abzgl. Beitragsnachlass von 2.504,22 Euro).

Mit Wirkung zum 01.01.2008 verabschiedete die Beklagte in der Vertreterversammlung vom 28.06.2007 den hier streiterheblichen neuen Gefahrtarif. Dieser sah jetzt keine getrennte Veranlagung für den Vertrieb mehr vor. Lediglich der Bürobereich erhielt weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle (jetzt 19) mit der Gefahrklasse 0,5. Im Übrigen wurde der Gewerbezweig “Bäckereien/Konditoreien„ der Gefahrtarifstelle 1 unter die Gewerbegruppe 11 “Herstellung von Back- und Konditoreiwaren, soweit nicht in Gefahrtarifstelle 2 genannt; Herstellung von Grundteigen, Teiglingen und Hefeklößen„ mit der Gefahrklasse 5,2 zugeordnet.

Nach Maßgabe dieses Gefahrtarifes veranlagte die Beklagte die Klägerin - bis auf den Bürobereich - zur Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 5,2; den Bürobereich wies sie der Gefahrtarifstelle 19, Gefahrklasse 0,5 zu (Bescheid vom 22.03.2008).

Der auf der neuen Veranlagung basierende Beitragsbescheid vom 03.04.2009 setzte den Beitrag für das Jahr 2008 nach einer Schätzung gemäß § 165 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Höhe von 58.601,18 Euro (Bruttobeitrag von 61.685,45 Euro abzgl. Beitragsnachlasses von 3.084,27 Euro) fest.

Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid Widerspruch und wandte sich gegen die Veranlagung ihres Vertriebsbereiches zur Gefahrklasse 5,2. Zur Begründung verwies sie darauf, der Gefahrtarif 2008 sei nicht wirksam zustande gekommen. Dieser Gefahrtarif sei in zwei Sitzungen des Gefahrtarifausschusses, und zwar am 01.03. und 16.05.2007, entwickelt worden. In diesen Sitzungen sei es vor allem darum gegangen, im Vorgriff auf eine vermutete Gesetzesänderung - die Unternehmer sollten künftig nicht mehr Pflichtmitglieder sein - den Gefahrtarif zu ändern. In diesem Zusammenhang sei seitens der Verwaltung dann auch die Zusammenlegung der Gefahrtarifstellen Vertrieb und Produktion ins Spiel gebracht worden, ohne dass für die Teilnehmer allerdings irgendein zwingender Grund hierfür erkennbar gewesen sei. Verabschiedet worden sei der Gefahrtarif in der Vertreterversammlung am 28.06.2007. In dieser Sitzung seien zwei Anträge dahingehend gestellt worden, die Änderung des Gefahrtarifes, was das Bäckerhandwerk anbelange, von der Tagesordnung zu nehmen. Diese Anträge seien u.a. damit begründet worden, dass das bisher vorliegende Zahlenwerk nicht nachvollziehbar sei und die mit der Errichtung einer einheitlichen Gefahrklasse für Produktion und Vertrieb verbundene Beitragser...

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