Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anforderungen an den Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung bzw eines Eingliederungsverwaltungsaktes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Eingliederungsverwaltungsakt, der sich in Vorgaben für den Betreffenden ohne konkreten Bezug zum Ziel der Eingliederung in Arbeit erschöpft, ist rechtswidrig.

2. Von einer Eingliederungsvereinbarung kann abgesehen werden, wenn der Gesetzeszweck der Strukturierung und Beförderung der Eingliederung des Betreffenden in den Arbeitsmarkt (aktuell) nicht erreicht werden kann.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Januar 2015 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 14. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2014 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Eingliederungsvereinbarung.

Der am 1967 geborene, aus Algerien stammende Kläger, der seit 2009 auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, steht seit dem 01.01.2005 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Im hier streitgegenständlichen Zeitraum bezog er Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von insgesamt 691,- € (Regelbedarf 391,- €, Kosten für Unterkunft und Heizung [KdUH] 300 €).

Nachdem der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 09.01.2013 nicht bereit gewesen war, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, erging am 14.01.2014 ein Eingliederungsverwaltungsakt für die Zeit vom 14.01.2014 bis 14.07.2014, in dem der Kläger u.a. verpflichtet wurde, sämtliche Änderungen in der persönlichen und finanziellen Situation umgehend mitzuteilen, unentgeltliche Probebeschäftigungen, ehrenamtliche Tätigkeiten, Minijobs und Nebenbeschäftigungen vor Antritt dem Jobcenter zu melden und dazugehörige Unterlagen einzureichen, im Falle einer Krankheit innerhalb von drei Tagen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, stationäre Aufnahmen in Kliniken und sonstigen Einrichtungen umgehend anzuzeigen, sowie Urlaub bzw. Ortsabwesenheit vorher mit dem zuständigen Ansprechpartner im Jobcenter abzusprechen. In der Rechtsfolgenbelehrung wurde der Kläger darüber informiert, dass bei Verstoß das Alg II um einen Betrag in Höhe von 30 Prozent gemindert werde. Der Beklagte verpflichtete sich zur Unterstützung bei der Arbeits- und Ausbildungssuche in Form von möglichen Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), der Übernahme von Bewerbungskosten, Fahrtkosten usw..

Gleichlautende Eingliederungsverwaltungsakte waren bereits am 12.07.2012, 09.01.2013 und 12.07.2013 ergangen (Widerspruchsbescheide vom 26.09.2012, 05.02.2013 und 12.08.2013). Die hiergegen gerichteten Klagen blieben erfolglos. Das Sozialgericht Konstanz (SG) wies die als Anfechtungsklage erhobenen, nach Ablauf des Geltungszeitraums der Eingliederungsvereinbarung nicht explizit umgestellten Klagen als unzulässig (geworden) ab (S 5 AS 2609/12; S 5 AS 578/13; S 5 AS 2212/13).

Den gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 14.01.2014 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dieser sei durch eine andere Eingliederungsvereinbarung zu ersetzen, die seine Rechte - wie z.B. Entschädigung wegen Amtspflichtverletzung seitens der Beamten des L. f. V. B.-W. - wahrten. Außer Bedrohung mit Hunger und Obdachlosigkeit, verbunden mit dem Verlust der Krankenversicherung, habe ihm die Eingliederungsvereinbarung seit 2005 bis heute nichts gebracht. Die Eingliederungsvereinbarung helfe nicht gegen die falschen und rechtswidrigen Vorwürfe des Landesamts für Verfassungsschutz, das ihm seit langem falsche Identität und den Besitz der französischen Staatsangehörigkeit vorwerfe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2014 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt noch ersichtlich. Es bestünden außerdem Bedenken, inwieweit die dem Kläger auferlegten Pflichten für sich genommen überhaupt als “Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit„ zu qualifizieren wären. Diese Pflichten seien außerdem bereits gesetzlich normiert.

Hiergegen hat der Kläger am 25.03.2014 Klage beim SG erhoben mit dem Antrag, den Eingliederungsverwaltungsakt aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, “dass die Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 14.01.2014 ungültig ist„. Der Beklagte solle mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung unter Berücksichtigung seiner Rechte abschließen. Überdies begehre er Akteneinsicht in die vollständige Verwaltungsakte in den Räumlichkeiten des Gerichts.

Nachdem der Beklagte mitgeteilt hatte, dass aus dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 14.01.2014 keine Rechtsfolgen mehr resultierten und auch nicht resultiert seien, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2015 abgewiesen und zur Begründung (wieder) ausgeführt, nachdem sich der Verwaltungsakt erledigt habe, sei die als Anfechtungsklage erhobene Kl...

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