Entscheidungsstichwort (Thema)

Belegärztliche Tätigkeit. Eignung. Nähe zwischen Wohnung und Praxis einerseits und Krankenhaus andererseits

 

Orientierungssatz

1. § 39 Abs 4 Nr 3 BMV-Ä fordert ausdrücklich eine Nähe zwischen Wohnung und Praxis einerseits und dem Krankenhaus andererseits. Diese Nähe muß nicht nur die unverzügliche und ordnungsgemäße Versorgung der Belegpatienten, sondern auch der vom Vertragsarzt ambulant zu betreuenden Versicherten gewährleisten.

2. Es ist nicht der Sinn einer belegärztlichen Tätigkeit, die vertragsärztliche Tätigkeit dadurch auf die Bereiche mehrerer in sich geschlossener Städte oder Bezirke zu erweitern, daß nicht das nächstgelegene, sondern ein verhältnismäßig weit entferntes Krankenhaus als Belegkrankenhaus ausgewählt wird.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch darauf hat, als Belegarzt am Kreiskrankenhaus E/N vertragsärztlich tätig zu werden.

Der ... 1951 geborene Kläger ist als HNO-Arzt mit dem Vertragsarztsitz in M zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Er übt seine Praxis in Gemeinschaftspraxis mit HNO-Ärztin H aus, wohnt in M und hat dort seine Praxis. Erstmalig im November 1989 beantragte er die Genehmigung für eine belegärztliche Tätigkeit als HNO-Arzt am Kreiskrankenhaus E. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.08.1990 ab. Ein Arzt sei als Belegarzt nicht geeignet, wenn seine Wohnung oder Praxis von dem Krankenhaus, in dem er belegärztlich tätig werden wolle, so weit entfernt liege, daß die ordnungsgemäße Versorgung der von ihm ambulant und stationär zu betreuenden Versicherten nicht gewährleistet sei. Die Entfernung zwischen M und E betrage je nach Fahrstrecke zwischen 25 und 29 km. Der Zeitbedarf für die Anfahrt sei zu groß, um noch von einer ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten sprechen zu können. In Notfällen sei die Sofortversorgung solcher Fälle nicht mehr gewährleistet.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.1990 zurück.

Der Kläger ließ diese Bescheide bestandskräftig werden, beantragte jedoch am 27.12.1990 erneut die Genehmigung seiner belegärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus E. Er machte nunmehr geltend, die Entfernung zwischen M und E betrage nur 15 km. Die Beklagte ließ daraufhin die Strecke von einem Fahrer abfahren. Dieser benötigte für die von ihm mit 29 km angegebene Strecke von E auf der Hauptstraße (N) nach M bis zur Praxis des Klägers 24 Minuten. Von der Praxis bis E über Bahnhof N benötigte er für 25,3 km 27 Minuten. Mit Bescheid vom 07.05.1991 und Widerspruchsbescheid vom 19.10.1991 lehnte die Beklagte daraufhin erneut die Erteilung der beantragten Genehmigung ab.

Am 27.12.1991 beantragte der Kläger die Genehmigung für eine belegärztliche Tätigkeit im Kreiskrankenhaus M. Diese erteilte ihm die Beklagte im Einvernehmen mit den Krankenkassen durch Bescheid vom 17.03.1992. Am 28.01.1997 teilte der Kläger der Beklagten mit, es sei ihm aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich, seine Tätigkeit am Kreiskrankenhaus M fortzuführen. Die für das HNO-Fach wichtigen Kindernarkosen könnten dort nicht in der Weise angeboten werden, wie dies für die HNO-ärztliche Belegtätigkeit unabdingbar sei. Er beantragte deshalb, am Krankenhaus E belegärztlich tätig sein zu dürfen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.04.1997 ab. Bei einer Entfernung von 25 km zwischen Praxissitz, Wohnort und Belegklinik sei die allgemeine Residenz- und Präsenzpflicht nicht mehr gewahrt.

Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, es sei sachwidrig, allein auf eine in Kilometern gemessene Entfernung abzustellen. Es komme naturgemäß eher auf die entsprechenden Straßenverbindungen und deren Befahrbarkeit an und weniger auf die Länge einer Strecke. Entscheidend könne nur sein, welche Zeit der Arzt benötige, um von der Praxis ins Krankenhaus E zu gelangen oder um den umgekehrten Weg zurückzulegen. Allein dieser Zeitaufwand sei das maßgebende Kriterium. In Großstädten sage beispielsweise eine Kilometerentfernung wenig darüber aus, wie schnell ein Belegarzt die Klinik erreichen könne. Er könne innerhalb von zwölf bis sechzehn Minuten von der Praxis aus das Belegkrankenhaus erreichen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 11.12.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei den von ihm genannten Zeiten müsse er Durchschnittsgeschwindigkeiten von 100 bis 125 km/h fahren. Dies sei unrealistisch.

Gegen den am 12.12.1997 ihm zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 05.01.1998 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, er sei inzwischen für Privatpatienten als Belegarzt am Kreiskrankenhaus E tätig. Die Entfernung zwischen seiner Wohnung und diesem Krankenhaus betrage exakt 21,6 km mit einer Fahrzeit zwischen 16 und 18 Minuten, die Entfernung zwischen Praxis und Krankenhaus betrage 22,8 km mit einer Fahrzeit von maximal 18 bis 20 Minuten. An der Wohnung, der Praxis und am Krankenhaus stünden Parkplätze in ausreichender Zahl und in unmittelbare...

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