Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsgemeinschaft. Grundsicherungs für Arbeitssuchende. Nachweis fehlender Bedarfsgemeinschaft zusammen wohnender Eheleute. Vermutung. Dauernd getrennt lebende Ehegatten. Räumliche Trennung

 

Leitsatz (amtlich)

Leben die Ehegatten nicht räumlich getrennt, spricht eine Vermutung gegen ein dauerndes Getrenntleben (Anschluss an LSG Stuttgart vom 26.08.2005 - L 13 AS 3390/05 ER-B - und vom 2.5.2007 - L 13 AS 948/07 ER-B - mwN).

 

Orientierungssatz

Soweit § 1567 Abs 1 BGB eine Legaldefinition des Getrenntlebens enthält, ist diese angesichts ihrer klaren Ausrichtung auf das Scheidungsverfahren, vor allem im Hinblick auf die in ihr enthaltenen subjektiven Komponenten, nicht ohne weiteres auf andere Bereiche, insbesondere nicht das Steuer- und Sozialrecht, übertragbar. Der Begriff des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" ist in Anlehnung an § 26 Abs 1 S 1 EStG auszulegen, wobei - soweit im Einzelnen mit dem Sinn und Zweck der Regelungen des SGB 2 vereinbar - auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann.

 

Normenkette

BGB § 1567 Abs. 1; EStG § 26 Abs. 1 S. 1; SGB II § 7 Abs. 3 Fassung: 2004-07-30, § 9 Abs. 1, 2 S. 1; SGG § 96 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ohne Anrechnung von Einkommen streitig.

Der 1948 geborene Kläger ist mit der Beigeladenen verheiratet. Er bezog bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe unter Anrechnung von Einkommen der Beigeladenen. Am 17.11.2004 beantragte er Leistungen nach dem SGB II. Zum Familienstand gab er an, er sei seit dem Jahr 2003 dauernd getrennt lebend. Der Kläger legte einen Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes R. vor (Grad der Behinderung 80, Merkzeichen “G„ seit 22.05.2003) sowie, unter Vorlage von Befundberichten, eine - geänderte - ärztliche Bescheinigung des Dr. M. zur Anerkennung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung wegen eines Diabetes mellitus Typ IIa (Diabeteskost); außerdem wird in dieser Bescheinigung eine diabetische Polyneuropathie und ein Zustand nach Zehenamputation genannt. Der Kläger gab bei der Antragstellung an, in einer Wohnung mit 45 m² Wohnfläche mit einer Kaltmiete von monatlich 210,00 € zu wohnen. Im Wohngebäude des Klägers ist außerdem die Beigeladene seit 24.09.1983 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der Kläger verfügt über kein eigenes Einkommen und über kein zu verwertendes Vermögen.

Mit Bescheid vom 01.02.2005 bewilligte die Agentur für Arbeit R. (AA) dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, zunächst für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 in Höhe von monatlich 693,45 € (Regelleistung 345 €, Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung 51,13 € und Kosten für Unterkunft und Heizung 297,32 €, die seit 01.07.2005 in die Zuständigkeit der Stadt S. fallen).

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er die Höhe der Leistung für den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Wiedereingliederung in das Arbeitsleben, Leistungen für die Kfz-Versicherung sowie die Befreiung von der GEZ beanstandete. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2005 von der AA zurückgewiesen. Hiergegen erhob der Kläger am 11.04.2005 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage (S 6 AS 1124/05), die er in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2007 zurücknahm.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 03.05.2005 wurden dem Kläger mit Bescheid der AA vom 25.05.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von 693,45 € und für die Zeit vom 01.07.2005 bis 30.11.2005 in Höhe von monatlich 396,13 € weiter gewährt.

Auf einen telefonischen Hinweis vom 05.07.2005 stellte die AA Ermittlungen dahin an, ob der Kläger von seiner Frau dauernd getrennt lebt. Die Vermieterin teilte nach einem Aktenvermerk der AA vom 05.07.2005 auf telefonische Rückfrage mit, dass die Eheleute K. in der E.str. 42 eine Wohnung mit 108 m² Wohnfläche bewohnten. Eine kleine Wohnung im EG mit ca. 45 m² Wohnfläche sei von der Tochter bis Sommer 2004 bewohnt worden und seit 01.10.2004 fremd vermietet worden. Die Ehefrau des Klägers arbeite und sei nicht hilfebedürftig. Die Eheleute seien gemeinsam zur Abfallgebühr veranlagt. Am 29.07.2005 führte die AA einen Hausbesuch in der Wohnung des Klägers durch. Nach dem hierzu gefertigten Aktenvermerk vom 01.08.2005 habe der Kläger erklärt, dass er seit zwei Jahren von seiner Ehefrau getrennt lebe, aber dennoch in der ehelichen Wohnung wohne. Er benutze Bad und Küche mit. Gefragt, warum er sich nach der Trennung keine neue Wohnung genommen habe, habe der Kläger erklärt, er sei froh, dass ihm die Wäsche gewaschen werde. Seine Frau habe einen ...

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