Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Zulässigkeit der rückwirkenden Nachholung einer unterbliebenen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

 

Orientierungssatz

Hat die Versicherte die verspätete Ausstellung der Folgebescheinigung durch den Hausarzt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles nicht zu vertreten, muss sie sich die Nachweislücke für einen Anspruch auf Krankengeld nicht entgegenhalten lassen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.12.2014; Aktenzeichen B 1 KR 25/14 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22.11.2012 und der Bescheid der Beklagten vom 16.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin über den 09.03.2012 hinaus Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte erstattet der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Krankengeld über den 09.03.2012 hinaus geltend.

Die 1957 geborene Klägerin war bei der Beklagten bis zum 29.02.2012 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung pflichtversichert. Das bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde zum 29.02.2012 beendet. Die Klägerin ist seitdem arbeitslos. Für die Zeit ab dem 10.03.2012 ging die Beklagte von einer freiwilligen Mitgliedschaft aus.

Die Klägerin wurde ab 02.02.2012 durch ihren behandelnden Hausarzt Dr. K. arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Klägerin erhielt bis zum Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Ab dem 01.03.2012 zahlte die Beklagte Krankengeld. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wurde durch den behandelnden Hausarzt durchgehend mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bzw. Auszahlscheinen vom 02.02., 07.02., 13.02. und 27.02.2012 bis einschließlich Freitag, den 09.03.2012 attestiert.

Am 28.02.2012 fand zwischen der Klägerin und einer Mitarbeiterin der Beklagten ein Beratungsgespräch statt, in dessen Verlauf die Klägerin auf die Notwendigkeit nahtloser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den weiteren Anspruch auf Krankengeld hingewiesen wurde. Hierzu wurde ihr ein entsprechendes Formular “Wichtige Hinweise zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit und zur mitgliedschaftserhaltenden Wirkung des Bezuges von Krankengeld" ausgehändigt. Mit ihrer Unterschrift bestätigte die Klägerin, vom Inhalt dieses Formulars Kenntnis genommen zu haben.

Die weitere Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erfolgte durch Dr. K. mit Bescheinigung von Montag, dem 12.03.2012. Die Klägerin sei voraussichtlich bis 26.03.2012 arbeitsunfähig. Als weitere Diagnose wurde das Vorliegen einer depressiven Episode genannt.

Mit Bescheid vom 16.03.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, für die erneute Arbeitsunfähigkeit ab dem 12.03.2012 könne kein Krankengeld ausgezahlt werden. Maßgeblich sei auf das Versicherungsverhältnis am 13.03.2012 abzustellen. An diesem Tag sei die Klägerin nicht mehr bei der Beklagten pflichtversichert. Der Versicherungsschutz habe am 09.03.2012 mit der letzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geendet.

Per E-Mail teilte die Klägerin der Beklagten am 16.03.2012 mit, ihr Hausarzt habe den Auszahlschein auf den 12.03.2012 datiert, da er nicht gewusst habe, dass dieser zum 09.03.2012 hätte erstellt werden müssen. Am 19.03.2012 legte die Klägerin einen am 09.03.2012 ausgestellten Auszahlschein von Dr. K. vor und bat um Richtigstellung.

Dr. K. bestätigte auf Anfrage der Beklagten am 19.03.2012 zunächst, dass am 09.03.2012 ein Arztkontakt der Klägerin stattgefunden habe, korrigierte diese Angaben aber umgehend dahingehend, dass an dem betreffenden Tag kein Arztkontakt stattgefunden habe. Die Beklagte teilte dies der Klägerin mit und wies mit Schreiben vom 20.3.2012 darauf hin, dass der rückwirkend ausgestellte Auszahlschein keine Auswirkung auf die getroffene Entscheidung habe und es bei dem Bescheid vom 16.03.2012 verbleibe.

Am 20.03.2012 erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführen ließ, sie habe ihren Hausarzt anlässlich eines Telefonats am 05.03.2012 gefragt, ob es für ihren Krankengeldanspruch nicht schädlich sei, wenn sie erst am 12.03.2012 weiter krankgeschrieben werde. Dieser habe ihr erklärt, das mache nichts. Somit habe der Hausarzt als Leistungserbringer der Beklagten bei der Krankschreibung einen Fehler gemacht, den man der Klägerin nicht anlasten könne. Sie sei durchgehend arbeitsunfähig krank gewesen. Die Klägerin legte eine schriftliche Erklärung von Dr. K. vom 22.03.2012 vor, in der dieser bestätigt, dass die Klägerin im Rahmen der Telefonsprechstunde gefragt habe, ob sie am 09.03.2012 zur Bescheinigung einer fortlaufenden Arbeitsunfähigkeit in die Praxis kommen solle. Da er am 09.03.2012 nicht in der Praxis gearbeitet habe und deshalb kein Arzt-Patienten-Kontakt habe stattfinden können, habe er den Auszahlschein rückwirkend auf dieses Datum am 12.03.2012 ausgestellt.

Der Widerspruch wurde von der Beklag...

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