Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. kein Anspruch auf stationäre Liposuktion bei Lipödem. Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB 5. Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme. "unverzügliche" Information des Versicherten durch Krankenkasse innerhalb der Drei-Wochen-Frist. Schriftform nicht erforderlich. sozialgerichtliches Verfahren. Stützten des Leistungsbegehrens im anhängigen Berufungsverfahren auch auf einen früheren Leistungsantrag, weil dieser fingiert genehmigt sei. Klageänderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum fehlenden Anspruch auf Versorgung mit einer unter stationären Bedingungen durchgeführten Liposuktion bei Lipödem.

2. Holt die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ein, hat sie den Versicherten hierüber innerhalb der Drei-Wochen-Frist zu unterrichten. Für die Annahme, eine nicht "unverzügliche" Information könne die Fünf-Wochen-Frist nicht auslösen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Information muss nicht schriftlich erfolgen.

3. Stützt der Kläger sein Leistungsbegehren im anhängigen Berufungsverfahren auch auf einen früheren Leistungsantrag, weil dieser fingiert genehmigt sei, liegt eine Klageänderung vor.

 

Orientierungssatz

Eine Absenkung der Qualitätsanforderungen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potenzial einer Behandlungsalternative ergibt sich aus der Neuregelung des § 137c Abs 3 SGB 5 nicht. Denn § 137c Abs 3 S 1 und 2 SGB 5 begründen keine Leistungsansprüche des Versicherten, sondern setzen diese vielmehr voraus (vgl BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R = SozR 4-2500 § 137e Nr 1 RdNr 16ff).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klage aus dem Antrag vom 4. August 2013 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für die Durchführung zweier stationärer Liposuktionen in Höhe von jeweils € 4.061,77.

Die 1967 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Mit - rechtskräftigem - Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2014 (S 4 KR 2079/14) wies das Sozialgericht Mannheim (SG) eine auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer stationären Liposuktion der Hüfte und Beine beidseits als Sachleistung gerichtete Klage der Klägerin ab. Die Beklagte habe den Antrag der Klägerin vom 4. August 2013 zu Recht mit Bescheid vom 6. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2014 abgelehnt, da ein Anspruch auf die begehrte Leistung nicht bestehe.

Mit Schreiben vom 2. Januar 2015 (Freitag), Eingang bei der Beklagten am 5. Januar 2015, beantragte die Klägerin unter Vorlage eines Kostenvoranschlags und eines ärztlichen Gutachtens des Facharztes für plastische und ästhetische Chirurgie Dr. R. erneut die Kostenübernahme für zwei stationär durchzuführende Liposuktionen. Dieser gab als Diagnose ein Lipödem beider Beine, Oberschenkel Typ III an. Die Mitarbeiterin der Beklagten N.-R. (im Folgenden N) wies die Klägerin in einem Telefonat am 8. Januar 2015 auf eine für notwendig erachtete Fotodokumentation hin und informierte sie über eine zeitnahe Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Mit Schreiben vom selben Tag 2015 forderte die Beklagte dokumentierende Fotos an und informierte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Januar 2015 über die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des MDK. Ebenfalls unter dem 15. Januar 2016 beauftragte sie den MDK mit einer gutachterlichen Stellungnahme.

Im sozialmedizinischen Gutachten vom 23. Januar 2015 führte Dr. S., MDK, bei diagnostiziertem Lipödem beider Beine aus, eine stationäre Aufnahme sei nicht zwingend erforderlich; grundsätzlich könne eine Liposuktion ambulant erfolgen. Es handle sich um eine neue, noch nicht anerkannte Behandlung, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen sei. Denn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) habe den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit noch nicht bewertet. Beim Krankheitsbild der Klägerin - Lipödem - handele es sich auch weder um eine lebensbedrohliche Erkrankung noch um eine notstandsähnliche Situation. Das Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 (SEG 7) von Oktober 2011 zeige zur Behandlung des Lipödems konservative Behandlungsmethoden auf, insbesondere Gewichtsreduktion, Kompressionstrumpfversorgung, komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE), Kompressionsstrumpfversorgung nach Maß (mindestens Klasse II - III) und apparativ intermittierende Kompressionsbehandlung (AIK). Durchgeführt habe die Klägerin bereits Lymphdrainagen, das Tragen von Kompressionsstrümpfen und eine Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2012. Überlegenheit, medizinischer Nutzen und Wirtschaftlichkeit gegenüber anderen Verfahren seien bislang nicht belegt. Eine Kostenübernahme könne daher nicht empfohlen werden.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2015 le...

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