Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. keine Beschränkung des Streitgegenstands. Untersuchungsmaxime. sog Heraufholen von Prozessresten. Arbeitslosengeld II. kein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Konservierungsstoffallergie

 

Orientierungssatz

1. Der Grundsicherungsträger kann nicht isoliert über einen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gem § 21 Abs 5 SGB 2 entscheiden. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes ist nur zulässig, wenn es sich um abtrennbare Verfügungen eines Gesamtbescheides, dh um eigenständige Regelungen iS des § 31 SGB 10 handelt. Dies wurde bislang nur angenommen bei der Entscheidung über Kosten der Unterkunft und Heizung einerseits und den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts andererseits (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1).

2. Eine Konservierungsstoffallergie begründet keinen Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB 2. Das Allergen "paraben mix" ist in Fertiglebensmitteln in Dosen, Gläser und Flaschen enthalten, sodass alle anderen Lebensmittel konsumiert werden können.

3. Hält der Senat den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt für aufgeklärt, besteht kein Anlass zu weiteren Ermittlungen, insbesondere zur Einholung eines Sachverständigengutachtens.

4. Dass das Sozialgericht im vorliegenden Fall nur über den Bescheid vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.1.2007 entschieden hat, hindert den Senat nicht, über die weiteren streitgegenständlichen Bescheide im Berufungsverfahren mit zu entscheiden (sog Heraufholen von Prozessresten, vgl LSG Stuttgart vom 15.2.2008 - L 8 AL 3748/05).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.02.2011; Aktenzeichen B 14 AS 49/10 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. November 2007 wird abgeändert.

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25. April 2007 verurteilt der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. August 2007 monatlich weitere 2,00 € und für die Zeit vom 1. September 2007 bis 12. September 2007 1,00 € zu zahlen.

Der Bescheid vom 28. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Januar 2008 in der Fassung des Bescheides vom 11. Januar 2008 wird aufgehoben, soweit der Erstattungsbetrag auf mehr als 207,00 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ihre Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die ... 1958 geborene Klägerin ist ledig (allein stehend). Sie bewohnt eine 1958 bezugsfertig gewordene Wohnung mit einer Wohnfläche von 55 m² (2 Räume, 1 Küche und 1 Bad). Die Miete beträgt monatlich 193 € zuzüglich Heizkosten in Höhe von monatlich 16 €. Sie bezog bis 31.12.2004 Wohngeld in Höhe von monatlich 69 €. Eigenes Einkommen und verwertbares Vermögen hat die Klägerin nicht.

Die Klägerin bezog ab 01.01.2005 von der Beklagten Regelleistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 345 €. Daneben bezog sie vom Rhein-Neckar-Kreis Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II. In der Zeit vom 18.02.2006 bis 02.03.2006 befand sich die Klägerin in Haft, weswegen die Beklagte für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 11.04.2006 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 161,00 € zunächst aufhob und die in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen von der Klägerin zurückforderte. Ein Antrag der Klägerin auf Überprüfung des Bescheides vom 11.04.2006 gemäß § 44 SGB X wurde mit Bescheid vom 19.09.2006 abgelehnt. Wegen dieser Bescheide kam es beim Sozialgericht Mannheim (SG) zu zwei Klageverfahren, die durch Rücknahme (S 4 AS 2704/06) bzw. Vergleich (S 7 AS 57/07) endeten. Mit Bescheid vom 09.03.2007 hob die Beklagte den Bescheid vom 11.04.2006 schließlich auf.

Der Klägerin wurden von der Beklagten Regelleistungen mit Bescheiden vom 03.05.2006 für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.11.2006, vom 28.11.2006 für die Zeit vom 01.12.2006 bis 31.05.2007 und vom 25.04.2007 für die Zeit vom 01.06.2007 bis 30.11.2007 jeweils in Höhe von monatlich 345 € bewilligt.

Inzwischen hatte die Klägerin der Beklagten am 30.05.2006 eine ärztliche Bescheinigung zur Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung von Dr. W/Dr. B vom 29.05.2006 vorgelegt, in der bescheinigt wurde, dass die Klägerin wegen einer Konservierungsstoffallergie ausschließlich biologische Kost von Biobauern benötige. Die Beklagte holte hierzu die Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes von Dr. A vom 13.11.2006 ein, der wegen der angegebenen Gesundheitsstörung keinen Mehrbedarf für erforderlich hielt. Mit Bescheid vom 21.12.2006 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung ab.

Hiergegen legte die K...

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