Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtsbesetzung bei Rechtsstreit über Vertragserfüllung bei individuellem Vertrag nach § 64 SGB 5 zwischen Krankenkasse und Arzt. Recht zur fristlosen Kündigung durch Krankenkasse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schließen ein Arzt und eine Krankenkasse einen individuellen Vertrag (also ohne Einschaltung der KV) über Akupunkturleistungen im Rahmen eines Modellversuchs ab und kommt es später zum Streit über die Vertragserfüllung, handelt es sich um eine Streitigkeit zwischen einem Vertragsarzt und einer Krankenkasse, über den in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Vertragsärzte und Krankenkassen als KA-Sache zu entscheiden ist.

2. Das Recht zur fristlosen Kündigung ergibt sich für die Krankenkasse in erster Linie aus den vertraglichen Abmachungen, ergänzend ist § 314 Abs 1 BGB heranzuziehen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6.7.2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung einer mit der Beklagten geschlossenen Vereinbarung über die ärztliche Versorgung mit Akupunktur im Rahmen eines Modellvorhabens nach §§ 63 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V - im folgenden: Vereinbarung).

Der Kläger nimmt als Arzt für Allgemeinmedizin in L.-E. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Schreiben vom 5.7.2001 (SG-Akte S. 8) bot ihm die Beklagte die Teilnahme am von ihr durchgeführten “Modellvorhaben Akupunktur„ an. Der Kläger nahm das Angebot am 7.9.2001 an (SG-Akte S. 21). In der Erklärung über den Beitritt zur Akupunktur-Vereinbarung verpflichtete sich der Kläger ausdrücklich, die vertraglichen Bedingungen zu erfüllen.

§ 2 der Vereinbarung (SG-Akte S. 4) legt den Inhalt des Modellvorhabens auf die Anwendung von Körperakupunktur mit Nadeln ohne elektrische Stimulation fest. Andere Formen der Akupunktur sind ausgeschlossen. In § 10 verpflichten sich die Vertragspartner, bei Auftreten von Zweifeln an einer qualifizierten Leistungserbringung, diese möglichst in einem bilateralen Gespräch zu klären. Bei wiederholter nicht ausreichender qualifizierter Leistungserbringung oder bei einem groben Verstoß gegen diese Vereinbarung ist die AOK berechtigt, den Arzt von der weiteren Teilnahme am Modellvorhaben auszuschließen. § 14 Abs. 2 der Vereinbarung bestimmt, dass die Vereinbarung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist jederzeit aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden kann, beispielsweise bei einer Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen oder wenn die dem Modellvorhaben zu Grunde liegenden Ziele bereits erreicht worden sind oder absehbar ist, dass sie nicht erreicht werden können.

Mit Schreiben vom 17.2.2003 (SG-Akte S. 24) kündigte die Beklagte die mit dem Kläger geschlossene Vereinbarung mit sofortiger Wirkung; man habe festgestellt, dass der Kläger, der weit überdurchschnittlich Akupunkturleistungen abrechne (rund 16.000 € im Quartal 4/2002), Ohr-Akupunktur durchführe, die nicht Gegenstand des Modellvorhabens sei. Nach einem Gespräch mit dem Kläger am 31.3.2003 setzte die AOK das Vertragsverhältnis fort, ergänzend wurde vereinbart, “es finden keine Auseinandersetzungen im wettbewerblichen Bereich statt„.

Unter dem 20.11.2003 (SG-Akte S. 10) kündigte die Beklagte die Vereinbarung mit dem Kläger erneut fristlos. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe ein mit Schreiben vom 31.10.2003 unterbreitetes Gesprächsangebot ausgeschlagen. Bei einem Telefongespräch vom 23.10.2003 mit einem ihrer Mitarbeiter (dem Zeugen G.) habe der Kläger ausweislich des darüber angefertigten Wortprotokolls dargelegt (Aktenvermerk vom 23.10.2003, - SG-Akte S. 27), wegen der “Kleinlichkeiten„ der Beklagten und der ihm für die Akupunkturbehandlungen auferlegten Beschränkungen habe er schon mehrfach seinen bei der Beklagten versicherten Patienten empfohlen, die Krankenkasse zu wechseln. Die Beklagte werde sich noch wundern, wie viele Versicherte sie wegen ihres patientenunfreundlichen Verhaltens noch verlieren werde. Er werde künftig seinen Patienten den Wechsel der Krankenkasse noch vermehrt nahe legen. Durch dieses Verhalten habe der Kläger die Neutralitätspflicht verletzt und das Vertrauensverhältnis zerstört; ihr könne deshalb ein weiteres Festhalten an der Vereinbarung nicht mehr zugemutet werden.

Der Kläger hatte der Beklagten bereits mit Antwortschreiben vom 20. 11. 2003 Unterstellungen und falsche Aussagen vorgeworfen. Die Zitate des Wortprotokolls seien frei erfunden. Die Kündigung der Vereinbarung sei rechtswidrig. Er werde auch weiterhin Akupunkturbehandlungen durchführen, wobei die Beklagte den Patienten erklären müssen, warum sie die Leistung verweigere.

Nachdem sich der Kläger mit Schriftsatz vom 27.11.2003 (erneut) - vergeblich - gegen die fristlose Kündigung der Akupunktur-Vereinbarung gewandt hatte, erhob er am 15.12.2003 Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung trug er vor, Gründe für eine fristlose Kündigung gebe es nicht...

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