Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme der Therapie mit "Lorenzos Öl". Arzneimittelrichtlinie. keine planwidrige Regelungslücke

 

Leitsatz (amtlich)

Die Behandlung einer Adenomyeloneuropathie (AMN) bei Erwachsenen mit Lorenzos Öl ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

 

Orientierungssatz

Durch die Anfügung des S 2 in § 31 Abs 1 SGB 5 sollten insbesondere die im Gemeinsamen Bundesausschuss bestehenden Zweifel über die Verordnungsfähigkeit von Sondernahrung beseitigt werden, bei dem prinzipiellen Ausschluss von Diät- und Krankenkost sollte es aber bleiben. Folglich müssen die Arzneimittelrichtlinien gemessen an der Ermächtigungsgrundlage und dem damit beabsichtigten gesetzgeberischen Zweck eng ausgelegt werden. Ausgehend davon kann ein diätisches Mittel, das nicht ausschließlich über Apotheken vertrieben wird, nicht im Wege der Auslegung unter die Ausnahmevorschrift gefasst werden; es betrifft quasi den klassischen Falle eines Leistungsausschlusses. Insofern liegt hier keine planwidrige Regelungslücke vor.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme von “Lorenzos Öl„ streitig.

Die 1962 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet an Adrenomyeloneuropathie (AMN), die sich insbesondere in einer progredienten, rechtsbetonten Paraparese der Beine sowie einer Blasenstörung zeigt. Bei der AMN handelt sich um eine X-chromosomal erbliche peroxisomale Stoffwechselerkrankung, bei der typischerweise das zentrale Nervensystem und die Nebennierenrinde befallen werden und der Spiegel der sehr langkettigen Fettsäuren aufgrund einer behinderten b-Oxidation in den Peroxisomen ansteigt. Die Erwachsenenform befällt hauptsächlich das Rückenmark und führt zu spastischer Paraplegie, häufig kompliziert durch cerebrale Demyelisierung.

Die Klägerin ist gelernte Friseuse und Mutter zweier in den Jahren 1988 und 1991 geborener Töchter. Sie erhält mittlerweile Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Von der Pflegekasse wurde ihr die Pflegestufe II zuerkannt, vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen B, H, G, aG und RF festgestellt.

Die Klägerin befand sich wegen ihrer Erkrankung von 1992 bis 2002 in regelmäßiger ambulanter und stationärer Behandlung in der neurologischen Klinik der Universität Tübingen (UKT), wo sie zuletzt symptomatisch mit die Spastik beeinflussenden Medikamenten behandelt wurde. Diese Therapie erbrachte einen geringgradigen Erfolg.

Im November 2003 begab sie sich in stationäre Behandlung in das sächsische Krankenhaus H.. Dort wurde ihr von Seiten des Chefarztes K. wegen des schweren Verlaufs mit ausgeprägter Tetraspastik und Gehstörung eine Behandlung mit Lorenzos Öl 50 ml/d empfohlen.

Die Klägerin beantragte deswegen unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung die Übernahme der Kosten für das Lorenzos Öl. Die Erkenntnisse über die Erkrankung der Adrenomyeloneuropathie seien bislang noch sehr jung, allerdings gebe es seit ein paar Jahren ermutigende wissenschaftliche Fortschritte, die zur Entwicklung einer speziellen diätetischen Therapie der Erkrankung geführt hätten. Hierbei würden neben einer vom Patienten zu erlernenden Basisdiät, quasi medikamentenähnlich, bestimmte Spezialöle zugeführt und dadurch die Ansammlung der krankmachenden, sehr langkettigen Fettsäuren verhindert. Im Verlauf einiger weniger Monate komme es unter der Therapie zur Normalisierung der pathologisch erhöhten Blutwerte.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung nach Aktenlage durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. B. führte aus, Lorenzos Öl stelle kein Fertigarzneimittel, sondern rechtlich ein Diätetikum dar. Es enthalte die Wirkstoffe Glyceroltrioleat (GTO) und Glyceroltrierukat (GTE), die in einem festen Verhältnis von 1:4 gegeben würden. Aus den bislang vorliegenden Studien ergäben sich derzeit keine medizinisch-wissenschaftlichen eindeutigen Hinweise auf eine Wirksamkeit der Behandlung. Weder die Einzelfallbeobachtungen noch die Statistiken in der ausgewerteten Literatur belegten dies. Erfolgreich sei bislang nur eine Knochenmarktransplantation. Ausgehend davon, dass Diät- und Krankenkost ohnehin nur unter bestimmten engen Voraussetzungen in die Arzneimittelrichtlinien wieder eingeschlossen werden könnten, fehle es damit auch an dem erforderlichen Wirksamkeitsnachweis. Eine Kostenübernahme könne daher insgesamt nicht empfohlen werden.

Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Bescheid vom 10.12.2003 den Antrag mit der Begründung zurück, Lorenzos Öl ersetze zwar nicht unbedingt einen Nahrungsbaustein, sondern werde zusätzlich zur Nahrung gegeben. Für eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung fehle es aber am Wirksamkeitsnachweis.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin ge...

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