Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Ruhen. Altersrentenbezug. rechtswidrige Aufforderung zur Stellung eines Rentenantrags. niedrigerer Rentenzahlbetrag. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Der Arbeitslosenhilfeanspruch ruht auch bei rechtswidriger Aufforderung zur Rentenantragstellung durch das Arbeitsamt (atypischer Fall des niedrigeren Rentenzahlbetrags), wenn - in Abgrenzung zum Urteil des BSG vom 27.7.2000 - B 7 AL 42/99 R = SozSich 2001, 99 - der Arbeitslose auf Aufforderung die Altersrente beantragt hat und diese zuerkannt und bezogen wurde. Insbesondere führt dies nicht dazu, dass die Rentengewährung rückgängig gemacht werden kann.

2. Auch wenn ein Fehlverhalten des Arbeitsamtes in der Aufforderung zur Rentenantragstellung trotz der geringen Höhe der zu erwartenden Altersrente (ohne Ermessensausübung) gesehen werden kann und ein Beratungsfehler des Arbeitsamtes vorliegt, können tatsächliche Verhältnisse nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geändert werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.09.2001; Aktenzeichen B 11 AL 35/01 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 1. März 1999 wegen des Bezuges einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit streitig.

Der ... 1939 geborene Kläger bezog seit dem 19. Oktober 1987 von der Beklagten ununterbrochen Alhi, zuletzt (ab 1. Januar 1999) nach einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 228,48 bei Leistungsgruppe A/Kindermerkmal 0.

Mit Schreiben vom 20. Januar 1999 forderte ihn das Arbeitsamt (AA) S auf, innerhalb eines Monats nach Zugang des Schreibens Altersrente zu beantragen; das Schreiben enthielt u.a. den Hinweis, dass der Alhi-Anspruch ruhe, wenn der Rentenantrag nicht gestellt werde. Daraufhin stellte der Kläger am 1. Februar 1999 einen Antrag auf Gewährung einer Altersrente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), worüber er das AA am 22. Februar 1999 in Kenntnis setzte und zugleich darauf hinwies, dass er diesen Rentenantrag nur gezwungenermaßen stelle und über sein Widerspruchsrecht nicht belehrt worden sei. Hierauf meldete das AA bei der BfA mit Schreiben vom 24. Februar 1999 einen Erstattungsanspruch an. Mit Bescheid vom 30. April 1999 bewilligte die BfA dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beginnend ab 1. März 1999, in Höhe von DM 713,80. Abzüglich des Beitragsanteils für die Kranken- und Pflegeversicherung ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag von DM 661,35.

Mit Bescheid vom 18. Mai 1999 hob das AA daraufhin ohne vorherige Anhörung des Klägers die Bewilligung von Alhi mit Wirkung vom 1. März 1999 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit der Begründung auf, der Kläger habe ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Altersrente. Mit weiterem Bescheid vom 17. Mai 1999 hob das AA die Bewilligungsentscheidung "zusätzlich ab dem 01.03.1999 ganz" auf und teilte mit, es sei eine Überzahlung in Höhe von DM 1322, 70 eingetreten; die Überzahlung werde aber vorrangig im Wege eines Verrechnungsersuchens vom Rentenversicherungsträger zu erstatten sein.

Gegen diese beiden Bescheide erhob der Kläger am 9. Juni 1999 Widerspruch mit der Begründung, dass er durch die vorzeitige Verrentung mit einer Rente von DM 661,35 zu einem Sozialhilfeempfänger werde. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Sozialgerichts (SG) Freiburg vom 25. September 1999 (Az.: S 8 1774/97) wies er darauf hin, dass es sich vorliegend um einen atypischen Fall handle, nachdem er erheblich weniger Rente erhalte als zuvor Alhi. Außerdem stünde er auch noch mit 60 Jahren dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung.

Daraufhin holte das AA mit Schreiben vom 17. Juni 1999 die Anhörung nach § 24 SGB X nach. Zugleich erging eine Anfrage der BfA vom 14. Juni 1999, nachdem der Kläger am 4. Juni 1999 seinen Rentenantrag zurückgezogen habe und daher um Genehmigung gebeten werde. Dies lehnte das AA mit Schreiben vom 22. Juni 1999 mit der Begründung ab, ab Beginn der Rente bestehe kein weiterer Anspruch auf Alhi. Der Umstand, dass die zuerkannte Rente niedriger sei als die zuvor gezahlte Alhi, sei rechtlich ohne Belang.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 1999 wies die Widerspruchsstelle des AA Stuttgart die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das erzielte Einkommen -- Altersrente -- führe zum Ruhen des Anspruchs auf Alhi, welches dem Kläger auch aufgrund des erhaltenen Merkblattes für Arbeitslose bekannt gewesen sei. Hieraus habe er leicht erkennen können, dass sein Anspruch auf Alhi wegen des Bezuges der Altersrente entfallen sei. Die Rente sei auch nicht wegen vorzeitiger Inanspruchnahme gemindert, nachdem sich das Anheben der Altersgrenze bei ihm nicht auswirke. Entscheidend sei die Zuerkennung der Altersrente, nicht wie hoch diese sei. Aufgrund des nachträglichen Entfallens des Anspruchs auf Alhi sei nach § 103 SGB X ein Anspruchsübergang bei der BfA zu Recht geltend gemacht word...

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