Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeldes. verspätete Meldung. frühzeitige Arbeitssuche. Unverzüglichkeit. Obliegenheitsverletzung. Verschulden. Informationspflicht des Arbeitgebers. befristetes Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitnehmer meldet sich nur dann unverzüglich arbeitssuchend, wenn er unmittelbar nach Kenntnis vom Ende seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) persönlich vorspricht.

2. Die verspätete Meldung ist dem Arbeitnehmer nur dann nicht vorzuhalten, wenn er der unverzüglichen Meldung im Hinblick auf objektiv vorliegende Hindernisse zunächst nicht nachkommen kann.

3. Der Arbeitnehmer hat keine Überlegungsfrist, ob er zunächst ohne Einschaltung der BA versuchen soll, ein anderes Arbeitsverhältnis zu begründen.

4. Es ist für die Verpflichtung zur unverzüglichen Arbeitssuche unerheblich, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gem § 2 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB 3 über die Meldepflicht informiert hat oder nicht.

5. Aus dem Grundsatz der formellen Publizität folgt, dass es unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer die zum 1.7.2003 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen kannte.

6. Ein Arbeitnehmer, der in einem befristeten Arbeitsverhältnis steht, meldet sich nur dann unverzüglich arbeitssuchend, wenn er sich drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der BA meldet.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Juli 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Minderung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend.

Die 1982 geborene Klägerin ist jugoslawische Staatsangehörige und meldete sich erstmals am 4. Juli 2001 bei der Beklagten arbeitslos. Sie war zuvor bei der Firma N. GmbH in der Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel vom 1. August 1998 bis 26. Juni 2001 beschäftigt gewesen. Ab 5. Juli 2001 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld (Anspruchsdauer 360 Tage, wöchentliches Bemessungsentgelt 350,00 DM, wöchentlicher Leistungssatz 167,09 DM, Leistungstabelle 2001, 60 v. H., Leistungsgruppe A/0, Bescheid vom 13. August 2001), ab 1. Januar 2002 umgestellt auf Euro nunmehr mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 85,89 € (wöchentliches Bemessungsentgelt 180,00 €, Leistungstabelle 2002, im Übrigen unverändert; Bescheid vom 11. Januar 2002) bis zu ihrer Arbeitsaufnahme am 2. April 2002.

Am 18. März 2004 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 1. April 2004 erneut bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Sie war in der Zeit vom 2. April 2002 bis 31. März 2004 als Hallenarbeiterin bei der U. in U. beschäftigt gewesen. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Stadt U. vom 6. April 2004 war das Arbeitsverhältnis befristet gewesen bis 31. März 2004 und der befristete Arbeitsvertrag am 16. Dezember 2003, letzte Verlängerung, abgeschlossen worden. Die Klägerin hatte in der Zeit vom April 2003 bis März 2004 insgesamt ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 22.120,86 € erzielt.

Mit Bescheid vom 21. April 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab 1. April 2004 (wöchentlicher Leistungssatz 165,62 €, davon abzusetzender wöchentlicher Anrechnungsbetrag 82,81 €, wöchentliches Bemessungsentgelt 420,00 €, Leistungstabelle 2004, 60 v. H., Leistungsgruppe A/0 - Bl. 7 SG-Akte -). Zur Minderung verweist der Bewilligungsbescheid auf ein gesondertes Schreiben. Mit Schreiben vom 19. April 2004 (Bl. 20 Verwaltungsakte) hatte die Beklagte der Klägerin ergänzend zum Bewilligungsbescheid bereits mitgeteilt, sie sei nach § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) verpflichtet gewesen, sich unverzüglich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden, sobald sie den Zeitpunkt der Beendigung ihres Versicherungspflichtverhältnisses gekannt habe. Dieser Pflicht sei sie nicht rechtzeitig nachgekommen. Nach den vorliegenden Unterlagen hätte sie sich spätestens am 1. Januar 2004 bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden müssen. Tatsächlich habe sie sich erst am 22. März 2004 gemeldet. Die Meldung sei somit um 81 Tage zu spät erfolgt. Nach § 140 SGB III mindere sich ihr Anspruch auf Leistungen um 35,00 € für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage). In ihrem Fall errechne sich somit ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.050,00 €. Die Minderung erfolge, indem dieser Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde, dies bedeute, ihr werde bis zur vollständigen Minderung des Betrages nur die Hälfte der ohne die Minderung zustehenden Leistung ausgezahlt. Die Höhe des Abzuges von der täglichen Leistung betrage 11,83 €. Die Anrechnung beginne am 1. April 2004 und sei voraussichtlich mit Ablauf des 28. Juni 2004 beendet. Für den letzten Tag der Minderung erfolge die Anrechnung ggf. nur noch in Höhe des noch verbleibenden Restbe...

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