Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung außergerichtlicher Kosten im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Außergerichtliche Kosten eines Beschwerdeverfahrens gegen die eine Kostenübernahme auf die Staatskasse ablehnende Entscheidung des SG sind in entsprechender Anwendung von § 67 Abs. 1 Satz 2 iVm § 66 Abs. 8 GKG nicht zu erstatten (Abweichung von LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.07.2008, L 10 U 3522/08).

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juni 2008 aufgehoben.

Die Kosten des gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. M. vom 15. Oktober 2004 und die anlässlich dieser Begutachtung entstandenen notwendigen Auslagen der Klägerin werden nachträglich auf die Staatskasse übernommen.

 

Gründe

Nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden, wobei die Anhörung davon abhängig gemacht werden kann, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Über diese endgültige Kostentragungspflicht entscheidet das Gericht nach Ermessen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geht die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht über.

Bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt der Senat, ob das Gutachten für die Verfahrensbeendigung wesentliche Bedeutung gewann. Dies bejaht der Senat insbesondere dann, wenn das Gutachten die Aufklärung des Sachverhalts objektiv gefördert hat.

So ist es hier, denn die inhaltlichen Aussagen des Gutachtens waren - neben den Ergebnissen der nachfolgenden gutachtlichen Ermittlungen - ein Grund für die Abgabe des verfahrensbeendenden Anerkenntnisses der Beklagten (vgl. die Wiedergabe der Stellungnahme des beratenden Abteilungsarztes der Beklagten im Schreiben der Beklagten vom 3. September 2008). Im Schreiben vom 2. März 2006, mit dem die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben hat, ist ausdrücklich ausgeführt worden, dass für die Bestimmung des Leistungsfalls (15. Oktober 2004) der Zeitpunkt der Begutachtung (durch Dr. M.) maßgebend sei.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Dies folgt aus § 67 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 66 Abs. 8 Gerichtskostengesetz (GKG). Diese Vorschriften sind auf die vorliegende Fallkonstellation entsprechend anwendbar. Nach § 10 GKG darf die Tätigkeit der Gerichte in weiterem Umfang als es die Prozessordnungen oder das GKG gestatten nicht von der Zahlung der Kosten abhängig gemacht werden. Für diejenigen sozialgerichtlichen Verfahren, in denen das GKG Anwendung findet, regelt § 17 GKG eine Vorschusspflicht für Auslagen. Die Regelung in § 109 SGG gibt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ebenfalls das Recht, die Einholung des nach dieser Vorschrift beantragten Sachverständigengutachtens von der Zahlung eines Auslagenvorschusses abhängig zu machen. Beide Vorschriften - § 17 GKG für Verfahren nach § 197a SGG und § 109 SGG für Verfahren nach § 183 SGG - regeln demnach vergleichbare Sachverhalte. Während das Verfahren der Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung in den vom GKG erfassten Verfahren in § 67 SGG geregelt ist, gelten für Beschwerden gegen Entscheidungen auf der Grundlage des § 109 SGG die Vorschriften in §§ 172 ff SGG. Im SGG ist jedoch keine Bestimmung enthalten, die die Kostentragung im Fall einer erfolgreichen Beschwerde bei der Entscheidung über die Anordnung des Kostenvorschusses oder die Übernahme der Kosten auf die Staatskasse regelt. Die Bestimmung des § 193 SGG ist nicht anwendbar, da das Verfahren, in dem zu entscheiden ist, ob die Kosten der Begutachtung auf die Staatskasse übernommen werden, kein Prozessverfahren, sondern ein parteieinseitiges Verfahren des Kostenrechts ist, in dem sich - wie bei der Prozesskostenhilfe (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. November 1983, NJW 1984, 740) - als Beteiligter nur der Antragsteller und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüberstehen. Daher ist es geboten, die Gesetzeslücke durch eine analoge Anwendung von § 67 Abs. 1 S. i. V. m. § 66 Abs. 8 GKG zu schließen. Diese Vorschriften sind sachnäher als § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i.V.m. § 467 der Strafprozessordnung, bei deren analoger Heranziehung man zu einer Erstattungspflicht der Staatskasse käme (so aber LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juli 2008, L 10 U 3522/08 KO-B).

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2079868

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