Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Entscheidungsermessen. Auswahlermessen. Ermessensreduzierung auf null. gerichtliche Überprüfbarkeit. sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Das dem Rentenversicherungsträger im Rahmen der Entscheidung über Leistungen zur Teilhabe (hier: medizinische Rehabilitation) eingeräumte Ermessen bezieht sich nicht auf das "Ob" sondern nur auf das "Wie" der Leistung. Eine Klage auf Verurteilung des Rentenversicherungsträgers, eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren, kann im gerichtlichen Verfahren nur dann erfolgreich sein, wenn eine entsprechende Ermessensreduzierung auf null eintrat; ob der Rentenversicherungsträger die begehrte Maßnahme mit zutreffender Begründung ablehnte, spielt dabei keine Rolle.

 

Orientierungssatz

Auch ein Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 40 Abs 1 SGB 5 ist bezüglich des “Wie„ der Leistungserbringung gemäß § 40 Abs 3 S 1 SGB 5 in das pflichtgemäße Ermessen des Leistungserbringers gestellt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.09.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation streitig.

Der am 1954 geborene Kläger erlernte den Beruf des Elektroinstallateurs und war in der Folgezeit vor allem als Handelsvertreter, teilweise auch mit eigener Firma, tätig. Ab 2007 arbeitete er in der Abteilung Verkaufsleitung und Marketing eines Herstellers von Rolladenkästen in S. am Ammersee, wo er unter der Woche wohnt. Am Wochenende hält er sich am Wohnort seiner Familie in E. , Landkreis C. , auf. Er stellte am 24.09.2012 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe für Versicherte bei der Beklagten. Den Antrag begründete er mit psychischer Belastung und körperlichen Beschwerden wie gehäufter Angina pectoris aufgrund drohenden Wegfalls des Arbeitsplatzes.

Die Beklagte holte bei der zuständigen Krankenkasse des Klägers eine Aufstellung über die Arbeitsunfähigkeitszeiten mit Diagnosen des Klägers ein. Danach war der Kläger in der Zeit vom 30.05.2011 bis 10.06.2011 arbeitsunfähig krank wegen “instabiler Angina pectoris„; daneben fanden sich zwei kürzere AU-Zeiten wegen Infektionen der oberen Atemwege. Bezüglich der Einzelheiten dieser Aufstellung wird auf Bl. 40 der Verwaltungsakte verwiesen. Nach Beziehung eines Befundberichts der behandelnden Hausärztin des Klägers, Dr. W. , Fachärztin für Allgemeinmedizin, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.09.2012 den Antrag des Klägers ab, weil die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Seinen Widerspruch hiergegen begründete der Kläger damit, er würde seit über fünf Jahren als Arbeitnehmer regelmäßig von E. nach S. am Ammersee (einfache Strecke 290 km) pendeln. Dies bedeute neben der ihn stets fordernden Arbeit zusätzlich eine doppelte Haushaltsführung. Mit 58 Jahren sei dieser zusätzliche Aufwand für ihn sehr beschwerlich. Er verspüre in zunehmendem Maße, dass seine Schaffenskraft sich reduziere und er deshalb dringend eine Auszeit in Form einer aufbauenden Rehabilitation benötige, um letztendlich auch einem Burnout-Syndrom entgegenzuwirken. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. H. . Diese diagnostizierte in ihrem Gutachten vom Dezember 2012, beruhend auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers, bei diesem eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung anderer Gefühle sowie einen Mangel an Entspannung oder Freizeit. Der Kläger sei noch affektiv schwingungsfähig, könne sich freuen, Aufmerksamkeit und Konzentration seien vorhanden, der Antrieb unauffällig, die Aktivitäten gleichfalls. Er habe bisher ambulant keine weiteren Maßnahmen ergriffen, d.h. weder eine psychotherapeutische Behandlung noch ein Entspannungsverfahren oder gegebenenfalls Unterstützung mit Psychopharmaka. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Auf Grund dessen würden weder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation noch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vorgeschlagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2013 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück. Die persönlichen Voraussetzungen würden nicht vorliegen. Für die beim Kläger festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen seien eine ambulante nervenärztliche Mitbehandlung, Psychotherapie sowie die Fortsetzung der ambulanten fachärztlichen Behandlung angezeigt. Auch nach den Vorschriften eines anderen Leistungsträgers liege kein Rehabilitationsbedarf vor.

Der Kläger hat hiergegen am 26.04.2013 das Sozialgericht Karlsruhe angerufen. Auf gerichtliche Anfrage hat der Kläger klargestellt, dass er eine stationäre Leistung der medizinischen Rehabilitation begehre. Das Sozialgericht hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige ...

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