Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Sozialhilfeleistungen für einen erwerbsfähigen, von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossenen Ausländer mit verfestigtem Aufenthalt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Ein erwerbsfähiger ausländischer Hilfebedürftiger, der nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 von dem Bezug von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen ist, hat nach der Entscheidung des BSG vom 20. 1. 2016 jedenfalls einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB 12.

2. In einem solchen Fall können nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB 12 Leistungen der Sozialhilfe gewährt werden, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht des Ausländers verfestigt hat, regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 14. April 2016 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 26. Februar 2016 bis zum 30. Juni 2016 - längstens bis zur Bestandskraft des Bescheids vom 3. Februar 2016 - Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von monatlich 323,20 Euro zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 4. Mai 2016 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwalt W., F., beigeordnet.

 

Gründe

I.

Der 1978 geborene Antragsteller ist t. Staatsangehöriger und hält sich nach eigener Angabe seit dem 1. Oktober 2009 im Bundesgebiet auf. Mit Bescheid vom 9. Dezember 2015 lehnte das Jobcenter F. (zukünftig nur Jobcenter) seinen Leistungsantrag vom 7. Oktober 2015 ab. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), weil er von den Leistungen ausgeschlossen sei. Sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet ergebe sich alleine zum Zweck der Arbeitsuche. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Antragstellers (Schreiben vom 13. Januar 2016) wies die Widerspruchsstelle des Jobcenters mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2016 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller nicht über ein Daueraufenthaltsrecht verfüge, weil er in den letzten fünf Jahren nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt habe. Eine Klage hat der Antragsteller dagegen - soweit ersichtlich - nicht erhoben.

Mit (Form-)Antrag vom 22. Januar 2016 hatte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Sozialhilfe beantragt. Mit Bescheid vom 3. Februar 2016 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag unter Hinweis auf die Regelung des § 23 Abs. 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab. Am 26. Februar 2016 erhob der Antragsteller dagegen Widerspruch - über den am Beschlusstag noch nicht entschieden ist -, mit dem er für die Zeit ab dem 7. Oktober 2015 Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII geltend gemacht hat.

Am selben Tag hat der Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf die vorläufige Erbringung von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII bis zum 30. Juni 2016 - längstens bis zur Bestandskraft des Ablehnungsbescheids - und die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung beantragt. Mit Beschluss vom 14. April 2016 - dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 15. April 2016 zugestellt - hat das SG den Eilantrag und den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Hiergegen hat der Antragsteller am 22. April 2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde erhoben, mit dem er sein Eilbegehren für die Zeit ab dem 26. Februar 2016 bis zum 30. Juni 2016 - längstens bis zur Bestandskraft des Bescheids vom 11. Januar 2016 (gemeint: 3. Februar 2016) - weiterverfolgt. Zugleich hat er die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt W., F., beantragt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die Verfahrensakten des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte (§ 172 Abs. 1 SGG) Beschwerde ist zulässig und begründet. Im Rahmen der vom Senat vorzunehmenden Folgenabwägung sind dem Antragsteller Leistungen der Sozialhilfe in Höhe von 80 vom Hundert des Regelsatzes nach Regelbedarfsstufe 1 nach dem SGB XII für die Zeit vom 26. Februar 2016 (Tag der Anbringung des Eilrechtsschutzgesuches) bis zum 30. Juni 2016 (wie beantragt) vorläufig zu gewähren.

1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das Eilbegehren des Antra...

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