Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erhöhungsgebühr. Bestimmung einer angemessenen Gebühr. Terminsgebühr. Verhandlung von mehreren Klageverfahren in einem Termin. keine förmliche Verbindung. kein Vorliegen derselben Angelegenheit iS des Gebührenrechts. Gebührenanfall in jedem Verfahren. Bestimmung der Gebührenhöhe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Anwendung der Erhöhungsgebühr nach Nr 1008 VV RVG (juris: RVG-VV) ist zunächst der Betragsrahmen der (erhöhten) Verfahrensgebühr festzulegen und dann aus diesem erhöhten Rahmen für den Einzelfall eine angemessene Gebühr unter Berücksichtigung der Maßstäbe des § 14 Abs 1 RVG zu bilden.

2. Eine Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG (juris: RVG-VV) entsteht auch in den Fällen (in jedem der Verfahren), in denen mehrere nicht förmlich verbundene Verfahren in einem einheitlichen (Gesamt-)Termin in Anwesenheit des zu jedem Verfahren vertretungsbereiten Rechtsanwalts aufgerufen wurden und in denen gebührenrechtlich nicht dieselbe Angelegenheit in Rede steht (gebührenrechtlich nicht dieselbe Angelegenheit iS von § 15 Abs 2 RVG, vgl Beschluss des Senats vom 27.6.2019 - L 10 SF 4412/18 E-B = AGS 2019, 402).

 

Orientierungssatz

Zur Bestimmung der Höhe der Terminsgebühr.

 

Normenkette

RVG § 15 Abs. 2, § 2 Abs. 2 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1 Sätze 1, 3-4, § 33 Abs. 4 S. 3, Abs. 8 Sätze 2-3, § 45 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Sätze 1-3; VV RVG Nrn. 1008, 3102; SGB II § 7 Abs. 3; SGG § 183 S. 1, § 197a Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Erinnerungsführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 12.11.2018 (S 2 SF 3292/17 E) und der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dieses Gerichts vom 19.09.2017 (S 15 AS 3601/16) abgeändert.

Die Vergütung des Erinnerungsführers aus der Staatskasse für das Verfahren S 15 AS 3601/16 wird auf 410,55 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Erinnerungsführer eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) für seine Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt in dem Hauptsacheverfahren S 15 AS 3601/16 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH).

Der Erinnerungsführer vertrat vier Kläger (als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft) in jeweils verschiedenen Klageverfahren vor dem SG (u.a. die nachfolgend genannten), wobei er den Klägern jeweils nach dem Recht der PKH beigeordnet war (Beschlüsse des SG vom 30.01.2017).

In dem Verfahren S 15 AS 3600/16 ging es um höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) betreffend den Leistungszeitraum vom 01.08.2015 bis 31.01.2016 (vgl. Widerspruchsbescheid vom 26.10.2016, W 1352/15). Im Streit standen die Höhe der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (Angemessenheit der Kaltmiete, Nichtberücksichtigung von Heizkosten, Nichtberücksichtigung von Abfallgebühren, keine Gewährung eines zusätzlichen Mehrbedarfs wegen dezentraler Warmwasseraufbereitung) sowie die Absetzbeträge im Rahmen der Einkommensanrechnung, namentlich die Nichtberücksichtigung einer Versicherungspauschale wegen einer privaten Unfallversicherung der klagenden beiden Kinder sowie von Kinderbetreuungskosten.

In dem weiteren Klageverfahren S 15 AS 3602/16 (s. dazu das Beschwerdeverfahren L 10 SF 4380/18 E-B) begehrten die Kläger auch für den nachfolgenden Leistungszeitraum vom 01.02.2016 bis 31.07.2016 (vgl. Widerspruchsbescheid vom 26.10.2016, W 412/16) höhere SGB II-Leistungen, wobei wiederum eine höhere Kaltmiete, der Warmwasseraufbereitungsmehrbedarf und - wegen der privaten Unfallversicherung - die Berücksichtigung der Versicherungspauschale im Streit standen.

In dem vorliegend in Rede stehenden Verfahren S 15 AS 3601/16 machten die Kläger wiederum höhere Leistungen nach dem SGB II geltend, dieses Mal für den Leistungszeitraum vom 01.08.2016 bis 31.12.2016 (vgl. Widerspruchsbescheid vom 27.10.2016, W 1351/16), erneut unter Berufung auf einen zusätzlichen Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwasseraufbereitung bzw. die Berücksichtigung der Unfallversicherung der Kinder im Rahmen der Einkommensanrechnung.

Im Termin am 13.07.2017 - in dem (ohne förmliche Verbindung) die genannten Streitsachen und das weitere Klageverfahren S 15 AS 2899/16 nach gemeinsamer Ladung gemeinsam (in Anwesenheit des Erinnerungsführers) erörtert wurden und der ausweislich der Niederschrift insgesamt 105 Minuten dauerte - schlossen die seinerzeitigen Beteiligten einen sog. Gesamtvergleich, in dem sie die Streitsachen u.a. für „vollumfänglich erledigt“ erklärten und eine hälftige Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Kläger „für das Gerichtsverfahren“ (wohl gemeint: die Gerichtsverfahren) seitens des beklagten Jobcenters vereinbarten; darüber hinaus trafen sie eine Regelung über die Kostenerstattung in den jeweiligen Widerspruchsverfahren.

Im Verfahren S 15 AS 3600/16 machte der Erinnerungsführer Mitte August 2017 ei...

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