Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. Anfall bei Annahme eines schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Nehmen die Beteiligten einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht an, entsteht die (fiktive) Terminsgebühr nach Anm S 1 Nr 1 zu Nr 3106 VV RVG (juris: RVG-VV), ohne dass es auf einen Gerichtsbeschluss ankommt (Aufgabe von LSG Stuttgart vom 22.11.2016 - L 12 SF 1920/15 E-B; Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 13.9.2018 - L 39 SF 302/17 B E, in juris).

 

Tenor

Die Beschwerde des Erinnerungsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20.02.2019 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Vergütungsfestsetzung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) streitig, ob der Erinnerungsführer für seine Tätigkeit als nach dem Recht der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneter Rechtsanwalt in dem Hauptsacheverfahren S 15 AL 3613/18 beim Sozialgericht Freiburg (SG) eine (fiktive) Terminsgebühr nach Vergleichsschluss beanspruchen kann.

In dem zu Grunde liegenden Ausgangsverfahren unterbreitete das Gericht den dortigen Beteiligten mit Verfügung vom 20.11.2018 einen Vergleichsvorschlag (Bl. 40 SG-Akte), der u.a. eine übereinstimmende Erledigungserklärung des Rechtsstreits beinhaltete. Die beklagte Bundesagentur für Arbeit stimmte dem Vergleich mit Schriftsatz vom 23.11.2018 zu (Bl. 41 SG-Akte, s. ergänzend auch Aktenvermerk Bl. 57 SG-Akte), die Klägerseite - nachdem PKH unter Beiordnung des Erinnerungsführers gewährt worden war (Beschluss des SG vom 27.11.2018) - mit Schriftsatz vom 29.11.2018 (Bl. 43 SG-Akte).

Der Erinnerungsführer beantragte Ende Januar 2019 die Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse i.H.v. insgesamt 690,20 € - nach abgezogenem Vorschuss (380,80 €) -, wobei er neben einer Verfahrens- (300,00 €) und Einigungsgebühr (300,00 €), einer Auslagenpauschale (20,00 €) sowie Umsatzsteuer (171,00 €) eine Terminsgebühr (280,00 €) geltend machte.

Mit „Prozesskostenhilfe-Beschluss“ vom 30.01.2019 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des SG die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wie folgt fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

300,00 €

Einigungs-/Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG

300,00 €

Pauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

19 % USt. Nr. 7008 VV RVG

117,80 €

Gesamtbetrag

737,80 €

abzgl. gez. Vorschuss (380,80 €)

357,00 €

Eine fiktive Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG für den Abschluss des Vergleichs komme nicht in Betracht, da der Vergleich „nicht in der erforderlichen Form“ geschlossen worden sei. Ein Vorschlag des Gerichts in Form eines (schriftlichen) Beschlusses liege nicht vor (Hinweis auf Landessozialgericht - LSG - Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.11.2016, L 12 SF 1920/15 E-B).

Nachdem der Erinnerungsführer beim SG zunächst beantragt hatte, im Wege eines Beschlusses das Zustandekommen des Vergleichs festzustellen (vgl. Bl. 59 f. SG-Akte), hat er nach Rücknahme dieses Antrags auf Hinweis des Gerichts (s. Bl. 61 und 64 SG-Akte) sein Begehren auf Festsetzung einer (fiktiven) Terminsgebühr mit seiner Erinnerung vom 06.02.2019 weiterverfolgt. Ein Vergleichsbeschluss des Gerichts sei für den Anfall der fiktiven Terminsgebühr nicht erforderlich; es reiche aus, dass unter Mitwirkung des Gerichts ein schriftlicher Vergleich geschlossen worden sei, was unzweifelhaft der Fall sei.

Mit Beschluss vom 20.02.2019 hat das SG die Prozesskostenhilfevergütung des Erinnerungsführers unter Abänderung des Beschlusses der UdG auf 678,20 € - nach Abzug des gezahlten Vorschusses (380,80 €) - festgesetzt, wobei es eine Terminsgebühr i.H.v. 270,00 € (nebst entsprechendem Umsatzsteueranteil) in Ansatz gebracht hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es nach dem Wortlaut der Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG lediglich eines „schriftlichen Vergleichs“ bedürfe, nicht jedoch eines in Beschlussform unterbreiteten oder festgestellten Vergleichs. Der Sinn und Zweck dieser Gebühr (Entlastung der Gerichte) würde andernfalls konterkariert. Was die Höhe der Gebühr anbelange, sei diese - in Abweichung zum Vergütungsfestsetzungsantrag - auf 270,00 € (90 v.H. von 300,00 €) festzusetzen (Nr. 3106 Satz 2 VV RVG).

Der Erinnerungsgegner hat gegen den ihm am 27.02.2019 zugestellten Beschluss am 28.02.2019 Beschwerde eingelegt und zur Begründung angeführt, dass die fiktive Terminsgebühr nicht in Ansatz zu bringen sei. Es fehle ein Beschluss nach § 101 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bzw. nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verfahrensakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Über die Beschwerde des Erinnerungsgegners entscheidet der - nunmehr alleine für Kostensachen zuständige - 10. Senat nach Übertragung durch den Einzelric...

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