Verfahrensgang

AG Trier (Urteil vom 14.07.2015; Aktenzeichen 6 C 62/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Trier vom 14.07.2015, Az. 6 C 62/15, abgeändert und die Klage abgewiesen.

  1. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

I.

Die Klägerin fordert von der Beklagten Schmerzensgeld wegen der Folgen des Fehlens einer funktionsfähigen Toilette in einer Regionalbahn.

Die Klägerin fuhr am 05.10.2014 mit Verkehrsmitteln der Beklagten von Düsseldorf nach Trier. Der von ihr gebuchte IC2011 traf am Umsteigebahnhof Koblenz aufgrund einer Verspätung erst um 16:35 Uhr ein, weswegen sie ihren planmäßigen Anschlusszug nicht erreichte. Sie setzte ihre Reise mit der Regionalbahn RB12232 – Abfahrt 16:40 Uhr – auf der sogenannten Moselstrecke nach Trier fort. Die einzige im Zug verfügbare Toilette war – bereits beim Eintreffen in Koblenz – defekt. Aufenthaltszeiten an den planmäßigen Haltestellen entlang der Moselstrecke sieht der Fahrplan der Regionalbahn nicht vor. Toiletten werden von der Beklagten entlang der Strecke nicht zur Verfügung gestellt. Planmäßige Ankunft der Regionalbahn in Trier war 18:36 Uhr.

Die Klägerin verspürte spätestens auf dem Bahnhof in Koblenz einen leichten Harndrang. Sie entschied sich jedoch zur unmittelbaren Weiterfahrt.

In der Leistungsbeschreibung zum aktuellen Verkehrsvertrag der Beklagten mit dem Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Nord (im Folgenden: SPNV Nord) und dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Saarlandes wird der Beklagten in Ziffer 6.3. Abs. 4 während der Fahrt die Erreichbarkeit mindestens einer funktionsfähigen, behindertenfreundlich gestalteten Toilette von allen Sitzplätzen eines Fahrzeugs aus vorgegeben. In Ziffer 6.8.2 ist geregelt, dass Funktionsstörungen an den Toiletten durch die Beklagte innerhalb 24 Stunden nach Kenntnis zu beseitigen sind. Im Falle einer Überschreitung dieser Fristen erfolgt wegen Schlechtleistung ein Abzug von täglich 250,00 EUR vom gewährten Zuschuss.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,

sie habe erst am Bahnsteig in Koblenz einen leichten Harndrang verspürt, sodass ein vorheriger – unstreitig möglicher – Toilettengang im IC2011 nicht in Betracht gekommen sei. In Koblenz sei das Aufsuchen der Toilette aufgrund der erforderlichen Neuorientierung, der zeitlichen Abläufe und des vorhandenen schweren Gepäcks nicht möglich gewesen. Ein Aussteigen an einem der an der Strecke befindlichen „Geisterbahnhöfe” sei im Dunkeln bei einer Wartezeit von einer Stunde bis zum Eintreffen des nächsten Zuges unzumutbar. Der Zugbegleiter habe sie darüber informiert, dass „alle Bahnhöfe zu” seien. Sehr viele weitere Reisende hätten die Fahrt unterbrochen, um an Bahnsteigen entlang der Moselstrecke ihre Notdurft zu verrichten.

Sie habe über eine Dauer von zwei Stunden aufgrund ihres immer stärker werdenden Harndrangs Schmerzen ertragen müssen. Am Hauptbahnhof Trier sei für sie eine entwürdigende Situation entstanden, da ihr auf dem Bahnsteig „alles in die Hose und darüber hinaus gegangen sei”.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen, jedoch mindestens in Höhe von 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 04.12.2014

sowie

die Klägerin von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 83,54 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen,

die Klägerin hätte bereits in Düsseldorf, im IC oder am Bahnhof in Koblenz ihre Notdurft verrichten können. Auch sei eine Unterbrechung der Reise möglich gewesen, da an verschiedenen Haltestellen entlang der Moselstrecke die Möglichkeit zum Toilettengang bestanden habe. Es sei möglich gewesen, beim Zugbegleiter zu erfragen, wann sie nach einer Unterbrechung mit dem nächsten Zug weiterfahren könne.

Das Amtsgericht Trier hat mit Urteil vom 14.07.2015 die Klage in Höhe von 200 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten unter Klageabweisung im Übrigen zugesprochen und die Berufung zugelassen.

Der Beklagten falle ein Organisationsverschulden zur Last. Es bestehe eine Nebenpflicht, abends oder bei Einbrechen der Dunkelheit sowie in den dunklen Morgenstunden eine funktionsfähige Toilette in Zügen vorzuhalten oder durch entsprechende Hinweise auf eine zumutbare Möglichkeit des Toilettengangs aufmerksam zu machen, wenn es sich wie vorliegend um eine Strecke mit wenig belebten Bahnhöfen handele. Sofern dies nicht möglich sei, bestehe zumindest eine Hinweispflicht an den Einstiegsorten zum Fehlen funktionsfähiger Toiletten. Am Bahnhof in Koblenz habe die Klägerin keine Toilette aufsuchen müssen. Zum einen sei kein Hinweis zur Funktionsunfähigkeit der Toilette erfolgt. Zum anderen hätte sie riskiert, erneut einen Anschlusszug ...

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